…ist nun online einsehbar. An manchen Stellen wünscht man sich noch konkretere Angaben. Der Workshop von Ute Fischer und Sascha Liebermann am Dienstag widmet sich dem Stellenwert der fallrekonstruktiven (oder auch qualitativen) Forschung für die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen.
„Soziale Integration“?…
Ersteres ließe sich verändern. Wer aber will, dass weiterhin Erwerbsarbeit die zentrale Möglichkeit der Selbsterhaltung bleibt, muss dafür sorgen, dass Erwerbsarbeit vor allem menschen- & gesellschaftsgerecht ist. Teilhabe ist nur ein (!) – wiewohl: berechtigter – Aspekt davon. https://t.co/vQoDAc9w74
— SeTh (@EconomicEthics) August 31, 2023
…behauptet wird das gerne, ohne einen genaueren Blick darauf zu richten, was Erwerbstätigkeit auszeichnet. In Erwerbsverhältnissen ist Aufgabenbewältigung der Maßstab, an dem der Einzelne sich messen lassen muss, er bleibt solange in diesem Verhältnis, wie er seine Aufgaben erledigt bzw. wenn nicht, andere es nicht bemerken oder sich daran nicht stören. Es geht nicht um den Einzelnen um seiner selbst willen. Letzteres aber genau ist die einzige soziale Integration, in der die Person im Mittelpunkt steht, in Erwerbsverhältnissen ist sie das genau nicht, es geht nur um Leistung.
Was diese Unklarheit und Verklärung von Erwerbstätigkeit betrifft, unterscheiden sich Unternehmens- und Erwerbstätigenvertreter nicht.
Sascha Liebermann
Alle Jahre wieder…
„Wir müssen vor allem an diejenigen denken, die in den unteren und mittleren Einkommensgruppen sind, die morgens aufstehen, zur Arbeit gehen und sich die Frage stellen: Warum gehe ich arbeiten, wenn ich ohne #Arbeit für meine Familie genauso viel bekommen kann?“ ™ #Bürgergeld pic.twitter.com/MTVTFwOPLO
— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) August 31, 2023
…wird in dieses Horn geblasen, trotz der Berechnungen die immer wieder vorgelegt wurden. Gibt es denn von der CDU eine neue, die das Gegenteil zeigt? Als es um das Bürgergeld ging, wurde schon nicht seriös argumentiert, hat Merz das schon vergessen (siehe hier)? Es wäre also mehr Zurückhaltung geboten oder es sollten entsprechende Berechnungen vorgelegt werden.
Sascha Liebermann
Martin Luther King on Guaranteed Income
„The civil rights movement must now begin to organize for the guaranteed annual income.“ —MLK
Today marks 60 years since the #MarchOnWashington and Dr. King’s I Have a Dream speech. Did you know that Dr. King also dreamed of eliminating poverty through a #GuaranteedIncome? pic.twitter.com/uVI0NgBzT6
— Counties for a Guaranteed Income (@CountiesforAGI) August 28, 2023
Hier ist die Rede, in der er sich dazu äußert.
„Eine Billion für’s Nichtstun“…
…, wenn so ein sachorientierter Titel aussieht, dann ist von Kolja Rudzios Beitrag auf Zeit Online über die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nicht viel zu erwarten. Vielleicht ist der Beitrag aber auch besser als der Titel. Derselbe Autor hat schon zu Beginn der jüngeren Grundeinkommensdebatte seine Einschätzung deutlich gemacht, an der sich trotz intensiver Diskussion wenig geändert zu haben scheint.
Wir lassen den vermeintlich witzigen Auftakt aus, der eine sachliche Auseinandersetzung nicht erwarten lässt, dann aber vom Autor selbst gegen den Strich gebürstet wird. Die Studie wird vorgestellt, die eine Finanzierbarkeit ermittelt zu haben beansprucht, „auch wenn andere Experten das bezweifeln“, wie Rudzio schreibt. Ja, bezweifeln kann man viel, wissenschaftlich ist das nicht relevant, solange es nicht mit konkreten Argumenten unterlegt wird.
Rudzio schreibt dann:
„Eine mögliche Variante für das realistische Grundeinkommen sieht nach den Angaben des Vereins so aus: Jeder Erwachsene erhält 1.200 Euro im Monat, für jedes Kind gibt es 600 Euro. Zugleich wird die Einkommensteuer deutlich erhöht, der Steuersatz beträgt für Einkommen jeder Höhe einheitlich („Flat Tax“) 50 Prozent. Außerdem werden entlastende Regelungen wie etwa der Grundfreibetrag, die Kinderfreibeträge oder die Anrechnung von Werbungskosten abgeschafft. Zusätzlich werden eine Vermögenssteuer und eine hohe CO₂-Steuer (200 Euro pro Tonne) erhoben. Zudem müssten etliche Sozialleistungen wie Elterngeld, Kindergeld, Bafög oder der Unterhaltsvorschuss gestrichen werden. Obwohl das alles nach einer Belastungsorgie klingt, hätten nach der DIW-Modellrechnung im Ergebnis 83 Prozent der Bevölkerung mehr Geld als heute zur Verfügung, nur 10 Prozent wären finanziell schlechter gestellt. Und die Zahl der armutsgefährdeten Menschen würde von 13 auf 4 Millionen sinken.“
Kein „Geld für’s Nichtstun“…
Falsches Framing, das ein fundamentales Verständnisproblem offenlegt:
Die (meisten) #BGE-Modelle gewähren Geld wird nicht für etwas, schon gar nicht „fürs Nichtstun“, sondern *weil* sie Menschen einen Anspruch auf ein menschenwürdiges Dasein in der Gesellschaft zubilligen. https://t.co/2SVlKKktZO— SeTh (@EconomicEthics) August 30, 2023
…, worauf hier treffend hingewiesen wird.
Stefan Bach hat im Interview mit der taz deutlich gemacht, weshalb sie auf die Modellierung von Verhaltensveränderungen verzichtet haben, da sie nicht aussagekräftig sind und auf Annahmen (siehe auch hier und hier) beruhen, die nur in eine Richtung getroffen werden (oder gar mit einem Werturteil verbunden sind). Bach hingegen bezieht die andere Richtung immerhin ein.
Sascha Liebermann
„Mit Widerstand muss man rechnen“…
…ein Interview mit Stefan Bach in der taz zur gestern veröffentlichten Studie zur Finanzierung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, indem zugleich die Grenzen der Aussagekraft der Studie klar bestimmt werden. Weshalb die Wirkung eines BGE dabei nur in eine Richtung gedacht wird, kann verwundern.
Zur Frage der Finanzierung sagt Bach:
„Stefan Bach: Teuer wäre es schon, aber grundsätzlich machbar. 1.200 Euro Grundeinkommen für alle Erwachsenen, für Kinder die Hälfte, würde nach Verrechnung mit bestehenden Sozialleistungen, knapp 1.000 Milliarden pro Jahr kosten, immerhin 25 Prozent des BIP. Das muss durch höhere Steuern finanziert werden, oder durch Einsparungen bei den Staatsausgaben.
Der Rechner zeigt, dass ein Grundeinkommen beispielsweise mit Einkommensteuern von 50 Prozent auf alle Verdienste plus weiteren Steuererhöhungen vor allem für Reiche zu finanzieren wäre. Halten sie so etwas für realistisch?
In dieser Variante haben etwa vier Fünftel der Bevölkerung mehr Geld im Vergleich zu heute, während das reichste Fünftel ziemlich stark belastet wird. Ob so etwas praktisch geht, ist eine Frage der politischen Akzeptanz, vor allem bei denen, die draufzahlen.“
Es ist eben, wie immer wieder gesagt, eine politische Frage, also der Akzeptanz. Zugleich nennt er die konkreten Ansatzpunkte, an denen sichtbar wird, dass Elemente eines BGE schon existieren, das Befürworter allerdings schon lange genau so thematisieren.
Nach unten oder nach oben schauen?
die Frage müsste sein, warum verdienen Sie so wenig? Sie sollten mehr Lohn bekommen. Sie haben nicht mehr, wenn andere weniger haben.
— Helena Steinhaus (@SteinhausHelena) August 29, 2023
Erwerbsbeteiligung Alleinerziehender nicht rückläufig und Reaktionen auf die „Anreiz“-Keule…
Erwerbsbeteiligungsrückgang von Alleinerziehenden im letzten Jahrzehnt? Anreize für Arbeit setzen?
Zahlen laut @Bundesagentur:
Erwerbstätigenquote unter Alleinerziehenden:
2011: 70,7%
2021: 74%
Erwerbslosenquote unter Alleinerziehenden:
2011: 12,2%
2021: 5,3%
via @MKreutzfeldt https://t.co/GkPvAjLfim pic.twitter.com/z1ZYHcOwVW— Andreas Hövermann (@AndreasHoev) August 29, 2023
…, gut, dass hier gegen anscheinend unhaltbare Behauptungen entsprechende Daten genutzt werden. Drastischer fällt die Stellungnahme aus, die sich gegen die Verunglimpfung Alleinerziehender wendet. Dabei geht es um diese Äußerung:
„Wir wollen einerseits die materielle Situation Alleinerziehender verbessern, aber andererseits nicht zusätzliche Anreize geben, sich nicht um Arbeit zu bemühen. Es ist ja eine beklagenswerte Tatsache, dass die Erwerbsbeteiligung von Alleinerziehenden im vergangenen Jahrzehnt trotz des Ausbaus der Kinderbetreuungsstruktur zurückgegangen ist. Also weniger Erwerbsbeteiligung bei Alleinerziehenden während des vergangenen Jahrzehnts. Da dürfen wir kein Signal setzen, dass das verfestigt.“
Der Finanzminister bleibt sich damit treu, wenn man das so sagen kann. Zu „Anreizen“ siehe hier.
Sascha Liebermann
Gegenwärtige Sozialpolitik auf den Punkt gebracht…
Es ist ein gemeinsames Anliegen, dafür zu sorgen, dass mehr Menschen in Arbeit kommen. Es kann nicht Ziel staatlicher Sozialpolitik sein, Menschen dauerhaft im Transfer zu halten, sondern sie mit Chancen auszustatten und sich in wirtschaftliche Unabhängigkeit herauszuarbeiten. TL
— Christian Lindner (@c_lindner) August 28, 2023
…und damit das entscheidende Problem zu erkennen gegeben: dass Unabhängigkeit als wirtschaftliche betrachtet wird, Erwerbsbeteiligung das erste Ziel sein muss und die Vorstellung obsiegt, Transfers würden zum Abhängen verleiten. Manchmal kann man den Eindruck gewinnen, solche Vorstellungen sind schlicht empirieresistent, wenn man sich solche Befunde ansieht:
Zur Kritik des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer und Hanna Petschauer)
Die Arbeitslosigkeitsfalle vor und nach der Hartz-Reform (Georg Vobruba und Sonja Fehr)
Fordern statt Fördern? – Nein! Wege aus Arbeitslosigkeit und Armut erleichtern (Ronald Gebauer)
Arbeit gegen Armut. Grundlagen, historische Genese und empirische Überprüfung des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer)
Sascha Liebermann