Rezension des Buches „Welfare for Markets“ – Hinweise auf verkürzte Darstellung des „Basic Income“

Zwei Passagen seien zitiert:

„It may be that Jäger and Zamora are tempted by a metaphysical conclusion—that the rise of basic income proposals is at once the inevitable expression and unwitting handmaiden of the advance of market logic—precisely because their focus on ideas tends to obscure the political, institutional, and social conditions in which they have always been embedded. It is only by zooming out from ideas about basic income alone that the broader picture comes into view.“

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Das Vokabular erstaunt – Patrick Bahners treffend…

…ist aber nicht so überraschend, wenn man an die Invektiven gegen das Bürgergeld im vergangenen Herbst zurückdenkt.

Sascha Liebermann

Podium zum Paulskirchenjubiläum – Bedingungsloses Grundeinkommen und Demokratie

Nominierte Kandidatin für den IG-Metall-Vorsitz…

…brächte vermutlich keinen Wechsel in der Haltung des Verbandes zum Bedingungslosen Grundeinkommen, wie zumindest frühere Äußerungen Christiane Benners erahnen lassen. Der amtierende Vorstand Jörg Hofmann steht auch für eine ablehnende Haltung, siehe hier. Ähnlich äußerte sich der ehemalige DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, siehe hier. Eine schöne Kontinuität bzw. äußerst konsistente Haltung. Aber vielleicht muss man sagen, wer von Stilllegungs- und Abwrackprämien spricht, die ein BGE für Bürger sei, von denen ist nichts anders zu erwarten.

Sascha Liebermann

Treffend

„Direkte Demokratie: Die Angst vor dem Souverän“…

…eine Besprechung des neuen Buches der ehemaligen Richterin am Bundesverfassungsgericht, Gertrude Lübbe-Wolff, über „Demophobie“ von Otfried Höffe in der Frankfurter Rundschau.

Die äußerst wohlwollende Besprechung der offenbar differenzierten Auseinandersetzung mit direkter Demokratie ist deswegen bemerkenswert, weil Höffe in seinen Ausführungen zum Bedingungslosen Grundeinkommen, das er stets als „Bügerlohn“ bezeichnet, erheblich skeptischer gegenüber dem Bürger ist, so dass einen seine Begeisterung für Lübbe-Wolffs Ausführungen doch überraschen. Siehe hierzu meine Kommentierung zu Höffes Beitrag „Das Unrecht des Bürgerlohns“.

Vor einiger Zeit habe ich meine Erfahrungen in der Schweiz angesichts der Volksabstimmung über die Eidgenössische Volksinitiative zum BGE geschildert und eine Verbindung zwischen BGE und Demokratie stark gemacht, siehe hier.

Weitere Beiträge von uns zu direkter Demokratie, auch zum Unterschied zu „Bürgerräten“, finden Sie hierhier und hier. Wie sehen Schweizer das, dazu ein Beispiel: „Volksabstimmung sind für uns wie Zähneputzen“.

„World’s toughest Job“ – gelungen komprimiert dargestellt, was es bedeutet, Eltern zu sein, auch wenn es hier um den Muttertag geht

Familie als Solidarverband lässt sich nicht erfahren, wenn man keine ungeplante Zeit füreinander hat oder das Zusammenleben in die Randzeiten des Erwerbsarbeitstages verbannt. Lösungen dafür zu finden, die nicht dazu führen, dem Einzelnen zu sagen, was er zu tun hat bzw. ein bestimmtes Handeln als erwünscht zu bewerten (Norm) kann es nur geben, wenn der Vorrang von Erwerbstätigkeit aufgegeben wird. Ohne Bedinungsloses Grundeinkommen geht das nicht.
Sascha Liebermann

Eine missverstandene Unabhängigkeit…

…steht hinter dieser Sorge vor dem Staat.

Siehe auch hier und hier.

Sascha Liebermann

„Nur Narren sagen, bis 2030 gibt es ein bedingungsloses Grundeinkommen“…

Interview mit Georg Vobruba auf focus online. Ausgewählte Passagen seien hier kommentiert:

„Das heißt: Wir arbeiten 2030 zwar mit mehr Technik, aber die arbeitsplatzvernichtende KI-Revolution bleibt aus?

Vobruba: KI ist die neueste Sau, die durchs Dorf getrieben wird, aber nicht die erste. Apokalyptische Sorgen, dass uns wegen neuer Technik die Arbeit ausgeht, entstehen alle zehn bis 15 Jahre und waren schon viel weiter verbreitet als heute. In den 1980er- und 1990er-Jahren glaubten das so gut wie alle. Nun haben einige Programme gelernt, mittelmäßige Romane zu schreiben. Na und? Dadurch entsteht keine Massenarbeitslosigkeit.“

Das eine ist hier, Entwicklungen in der Vergangenheit zu betrachten, das andere, etwas darüber zu sagen, wohin es führen wird. So recht Vobruba darin hat, dass vielen Szenarien, die einst als gewiss galten, ausgeblieben sind, so wenig wissen wir doch über nicht genutzte Automatisierungspotentiale. Deren Nutzung ist eben nicht nur eine technisch-praktische, sondern auch eine politische und kulturelle Frage insofern, als die Nutzung graduell unterschiedlich weitreichend erfolgen kann in Abhängigkeit von ihrer Erwünschtheit. Man denke an manche technischen Systeme, die es gibt, ohne dass deren Nutzung offensiv betrieben wird. Wo sind die fahrerlosen U-Bahnen, die schon lange auf einzelnen Strecken fahren, wo die offensive Nutzung vollautomatischer, sich selbst reinigender Toiletten usw.?

„Klingt, als müssten wir uns um die Zukunft der Arbeit nicht sorgen.

Vobruba: Technische Veränderungen haben die Arbeit bislang immer verbessert und eher mehr Arbeit geschaffen. Das heißt aber nicht, dass nicht in manchen Branchen und Gegenden sehr ernste Probleme entstehen. Dem Braunkohlearbeiter im Ruhrgebiet nützt es nichts, wenn in Bayern IT-Jobs entstehen.“

Worauf sich Vobruba hier bezieht, ist nicht klar. Was meint er mit „mehr Arbeit“ sei geschaffen worden? Meint er eine Diversifizierung der Arbeit? Betrachtet man das (Erwerbs)Arbeitsvolumen gemessen in Jahresarbeitsstunden bezahlter Arbeit, dann gibt es eine schon lange beobachtbare Entwicklung: es sinkt. Insofern ist also nicht „mehr Arbeit“ geschaffen worden, aber mit weniger Erwerbsarbeitszeit mehr Wertschöpfung.

An anderer Stelle heißt es:

„Das ist doch die Grundfrage, die sich alle stellen: Jeder Mensch sieht Probleme und wünscht sich Lösungen. Aber wie setzen wir diese Lösungen durch, bevor uns die Probleme über den Kopf wachsen?

Vobruba: Wer die Zukunft der Arbeit gestalten will, muss viele kleine Schritte gehen, statt ständig den großen Wurf zu suchen, zu scheitern und dabei die kleinen Schritte zu verpassen. Für politische Programme muss man bedenken, was man an Reformen in den gegebenen Konstellationen umsetzen kann. Große Ziele dienen eher als Orientierung. Ich verfolge die Grundeinkommen-Debatte jetzt seit 40 Jahren. Man kann nicht 40 Jahre lang tun, als stehe es vor der Tür. Wer sagt, bis 2030 gibt es ein bedingungsloses Grundeinkommen, macht sich zum Narren.“

Das kleine Einmaleins der Politik, so könnte man diese Bemerkung nennen, besagt, gestaltbar ist nur, wofür Mehrheiten mobilisiert werden können. Treffend stellt Vobruba fest, dass es aber durchaus großer Ziele bedarf, die eine Richtung weisen, damit klar ist, wohin die kleinen Schritte führen sollen. Aber geht es um den großen Wurf? Die charmante Seite eines BGE besteht doch darin, am Bestehenden ansetzen zu können. All die Leistungen, die es im Sozialstaatsgefüge gibt, lassen sich mit einem BGE integrieren, teils ersetzen, teils müssten sie beibehalten werden. Groß wäre der Wurf allenfalls, weil die Einwände gegen ein BGE bislang davon ausgehen, dass es keine Existenzsicherung geben soll, ohne eine Gegenleistung erbringen zu müssen, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Ein kleiner Wurf wäre es, wenn wir uns den heutigen Grund dafür anschauen, weshalb es eine Existenzsicherung als Ausdruck staatlicher Fürsorge geben muss: weil es um die Person um ihrer selbst willen geht oder anders ausgedrückt, um ihre Würde.

Folgt daraus Resignation?

„Was hat die Debatte dann gebracht?

Vobruba: Die Bedeutung der Grundeinkommen-Diskussion besteht nicht darin, ein bedingungsloses Grundeinkommen Knall auf Fall durchzusetzen. Sie besteht darin, kleine Erfolge ermöglicht zu haben, wie die Abschaffung von Hartz IV. Das war für mich ein Schritt in die richtige Richtung. Die Forderung nach mehr sozialer Absicherung hat ihn ermöglicht. Damit bin ich zufrieden.“

In der Tat ist es plausibel anzunehmen, dass es die Veränderungen – die Aufhebung des Vermittlungsvorrangs ist eine große -, die mit dem Bürgergeld einhergehen, nicht gegeben hätte, wäre über ein BGE nicht so intensiv diskutiert worden. Dafür eben gab es Mehrheiten, ob es für ein BGE welche geben wird, wird sich zeigen müssen. Es wäre aber nicht die erste Veränderung, die einen größeren Anlauf benötigt.

Siehe zu früheren Ausführungen Vobrubas auch hier und hier

Sascha Liebermann