„Linke und Grüne scheitern mit Anträgen zur Abschaffung von Sanktionen“

Im Deutschen Bundestag wurden gestern die Anträge der Linken und der Grünen zur Abschaffung der Sanktionen im Arbeitslosengeld II und bei der Sozialhilfe abgelehnt. Die Debatte ist sicher aufschlussreich, um etwas über die Haltung der Abgeordneten zur gegenwärtigen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zu erfahren. Allerdings muss auch gesagt werden, dass die Forderung nach einer Abschaffung der Sanktionen an den Systematik des deutschen Sozialstaats vorbeigeht, denn das Erwerbsgebot steht in seinem Zentrum, Sanktionen dienen dazu, diesem Gebot Geltung zu verschaffen (siehe hier und hier). Es ist ein Widerspruch in sich, Sanktionen aufheben zu wollen, aber nicht für ein Bedingungsloses Grundeinkommen einzutreten, denn die Aufhebung der Sanktionen wäre ein Vorgriff darauf.

Sascha Liebermann

„Das Kreuz mit den Sanktionen im Hartz IV-System“ und die Menschenbildfrage…

…darüber schreibt Stefan Sell wieder einmal in einem sehr informativen Beitrag (siehe auch sein Interview im Deutschlandfunk).

Es gehe bei der Haltung gegenüber Sanktionen, die ganz der „Fördern und Fordern“-Logik entsprechen, um zwei verschiedene Menschenbilder. Auf der einen Seite fänden sich diejenigen, die Sanktionen für notwendig halten, auf der anderen die, die die Drangsalierung kritisieren. Obwohl das Bundesverfassungsbericht die Unverfügbarkeit des Existenzminimums sicher gestellt habe und nun schon mehrere Jahre ein Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Gotha beim BVerfG auf eine Entscheidung wartet, gelte bislang, dass das Existenzminimum eben doch verfügbar sei – d. h. gekürzt werden könne. Sell hofft auf das Bundesverfassungsgericht – darauf hofft man in Deutschland oft, doch letztlich ist der politische Wille ausschlaggebend (siehe zur Kritik an der Überhöhung des Bundesverfassungsgerichts den Beitrag von Ingeborg Maus hier und hier). Wer nun ernst machen will damit, Sanktionen der Vergangenheit angehören lassen zu wollen, kommt nicht umhin, sich mit ihrem Zweck zu beschäftigen, denn auch vor der Agenda 2010 waren Sanktionen schon vorgesehen (siehe hier). Wer sie also nicht mehr haben will, muss über ein Bedingungsloses Grundeinkommen reden.

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„Hartz IV ohne Sanktionen – das wäre bedingungsloses Grundeinkommen“…

…da hat die BILD-Zeitung recht, wer Sanktionen aus dem Gefüge der Sozialgesetzbücher entfernen will, verlässt einen Sozialstaat, der erwerbszentriert ist. Das scheint denjenigen noch nicht aufgefallen zu sein, die gegen ein BGE sind, aber eine repressionsfreie Grundsicherung befürworten. Oder es soll eine Strategie sein, das BGE unter anderer Flagge einzuführen.

„Sanktionen abschaffen, reformieren, beibehalten? Was die »Sachverständigen« sagen“…

…ein Beitrag der Redaktion des OXI-Blogs anlässlich der Anhörung zu Sanktionen im Arbeitslosengeld II und Leistungseinschränkungen bei der Sozialhilfe im Deutschen Bundestag am 4. Juni. Darin sind sowohl die Anträge verknüpft, die zur Anhörung geführt haben, als auch die Stellungnahmen der geladenen Sachverständigen. Siehe auch hier. Hier geht es zur Website des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

„Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV? Öffentliche Anhörung im Bundestag“…

…am 4. Juni, darauf weist das Netzwerk Grundeinkommen hin und legt zugleich eine Stellungnahme zur Anhörung vor. Die Liste der Sachverständigen verspricht nicht gerade eine differenzierte Anhörung, es sei denn der DGB bezieht sich auf seine kritische Stellungnahme, von der er nicht wollte, dass sie an die Öffentlichkeit gelangt. Siehe auch die Befunde des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie unsere Kommentare zu Sanktionen im Sozialgesetzbuch.

„Holt die Leute raus!“…

…ein Beitrag von Wolfgang Strengmann-Kuhn in derFreitag, in dem zwar nicht für ein Bedingungsloses Grundeinkommen argumentiert wird, aber für eine Verbesserung im bestehenden System mit Garantieelementen. Es geht darin auch um die Abschaffung der Sanktionen (siehe dazu hier) und das sogenannte Lohnabstandsgebot, das letztlich auf das Theorem der Armutsfalle zurückgeht (siehe dazu hier).

„Paritätischer fordert vollständige Abschaffung der Sanktionen in Hartz IV“…

starke Worte sind das, was aber wird genau gefordert?

„Eine vollständige Abschaffung der Sanktionen in Hartz IV fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband anlässlich der heute von der Bundesagentur für Arbeit vorgestellten Statistik. Notwendig sei eine komplette Neuausrichtung der Grundsicherung. Der Verband kündigt an, innerhalb der kommenden zwei Wochen ein eigenes Konzept zur Reform von Hartz IV vorzulegen…“

Da kann man gespannt sein, wie das gehen soll, denn die Sanktionen rechtfertigen sich vor dem Hintergrund dessen, dass das Arbeitslosengeld II nicht als dauerhafte Alimentierungsleistung konstruiert ist und die Verpflichtung besteht, Erwerbsarbeit aufzunehmen. Helga Spindler (siehe auch hier), die Hartz IV ebenfalls kritisiert, hat eingräumt, dass auf Sanktionen nicht ganz verzichtet werden kann; Christoph Butterwegge hat dasselbe zu erkennen gegeben, auch wenn er es selten ausspricht. Wer also ernst machen wollte mit der Aufhebung von Sanktionen, muss das Ziel der bedarfsgeprüften Leistungen verändern: nicht Rückführung in Erwerbstätigkeit stünde dann im Zentrum, sondern Stärkung von Autonomie. Das geht nur ohne das Erwerbsgebot.

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„Nur ein ganz geringer Teil wird überhaupt sanktioniert“…

…so Detlef Scheele, Vorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, über Sanktionen für Arbeitslosengeld II-Bezieher, zitiert nach der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:

„Die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger ist im vergangenen Jahr leicht auf knapp 953.000 gestiegen. Das waren rund 13.700 mehr als im Vorjahr, wie die Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch in Nürnberg mitteilte. Die Sanktionsquote – also das Verhältnis von verhängten Sanktionen zu allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten – lag unverändert bei 3,1 Prozent. „Die allermeisten Leistungsberechtigten halten sich an die gesetzlichen Spielregeln. Nur ein ganz geringer Teil wird überhaupt sanktioniert“, sagte dazu BA-Chef Detlef Scheele.

Mit 77 Prozent entfällt zudem ein Großteil der Sanktionen auf Meldeversäumnisse – wenn also beispielsweise jemand einen Termin beim Jobcenter ohne Angaben eines wichtigen Grundes nicht wahrnimmt. 2017 mussten die Jobcenter bei 733.800 Menschen deswegen die Regelleistung um zehn Prozent absenken. „Drei von vier Sanktionen entstehen schlicht deshalb, weil vereinbarte Termine im Jobcenter gar nicht erst wahrgenommen werden“, sagte Scheele. Deshalb böten die Jobcenter einen Termin-Erinnerungsservice per SMS an.“

An den Vorurteilen gegenüber den Leistungsberechtigten wird das wohl wenig ändern, siehe auch hier, hier und hier. Hat nicht kürzlich noch Rainer Hank, Redakteur der FAZ, behauptet, der Anreiz sei hoch, sich einzurichten im Arbeitslosengeld II?

Sascha Liebermann