Claudia Roth (Bündnis 90/ Die Grünen) über das Bedingungslose Grundeinkommen

In einem Interview mit der Zeitung Mittelbayrische äußerte sich Claudia Roth unter anderem zum BGE. Hier die Passage:

„Was halten Sie vom Bedingungslosen Grundeinkommen?“

Roth: „Bei uns in der Partei diskutieren wir dieses Thema sehr heftig. Manche Menschen in der Partei wollen das Grundeinkommen unbedingt haben, weil sie glauben, dass Deutschland dadurch gerechter wird. Und dass es allen Menschen dadurch besser geht. Ich selbst bin mir nicht sicher, ob das Grundeinkommen gut für uns wäre. Ich habe Angst, dass der Staat dann weniger Verantwortung für die sozial schwächeren Menschen übernimmt. Der Staat könnte zum Beispiel sagen: Ich gebe den Menschen jetzt ein bestimmtes Einkommen, egal ob sie arbeiten oder nicht – dann muss ich mich aber nicht mehr um neue Arbeitsplätze kümmern. Wir streiten in der Partei seit Jahren darüber, ob wir das Grundeinkommen haben wollen. Wir haben uns jetzt darauf geeinigt: Wir wollen es gerne einmal ernsthaft ausprobieren.“

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„…manchmal brauchst du so einen Arschtritt“…

…diese Haltung eines liberalistischen Paternalismus‘ oder paternalistischen Liberalismus legte Christian Lindner (FDP) in einer Pro Sieben-Sendung an den Tag. Klaas Heufer-Umlauf befragte ihn in seiner Sendung „Ein Mann, eine Wahl“. Zitiert wurde daraus meist die Passage, in der es um darum geht, dass ein junger Mensch mit 18 Jahren manchmal einen Tritt in den „Arsch“ benötigt. Das Interview mit Lindner ist aber widersprüchlich, und zwar ebenso widersprüchlich wie schon sein Gespräch mit Konstantin Faigle vor einigen Jahren.

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Was dagegen spricht, spricht auch dafür…

…so resümiert das Handelsblatt Äußerungen der Soziologin Jutta Allmendinger in einer Besprechung ihres Buches „Das Land, in dem wir leben wollen“. Hier die entsprechende Passage:

„Wenn etwa die Erwerbsarbeit solch einen hohen Wert für die Menschen heute, aber auch für ihren Zukunftswunsch hat, ist die Debatte über das Grundeinkommen aus Allmendingers Sicht die falsche. Demnach brauche man Menschen nicht aus der Erwerbsarbeit herauskaufen, da sie ja arbeiten wollen. Andererseits könnten Befürworter eines Grundeinkommens dies auch als Beleg dafür anführen, dass sich Menschen eben nicht einfach in die Hängematte legen würden, statt etwa zu gründen. Arbeit, so die Studie, bedeute Entfaltung und Zugehörigkeit, Teilhabe und Miteinander. Die Wissenschaftlerin argumentiert daher: „Wir müssen die Menschen mitnehmen, ihnen Chancen, Orientierung und Sicherheit geben, sie aktiv vorbereiten auf die Arbeitswelt von morgen.“

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Stilllegungsprämie – da weiß man, mit wem man es zu tun hat

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen als „Stilllegungs-“ bzw. „Stillhalteprämie“? Laut Pressemeldungen soll Bundesministerin Andrea Nahles in einem Interview mit dem Handelsblatt das BGE als eine solche bezeichnet haben. Damit befindet sie sich in guter Gesellschaft, handelt es sich dabei um einen der häufig vorgebrachten Einwände. Doch alleine der Ausdruck „Stilllegung“ spricht Bände. Zwar handelt es sich um eine Übertragung aus einem anderen Zusammenhang – eine Maschine oder einen Betrieb kann man stilllegen – , doch genau das ist der Haken. Menschen, oder genauer: die Bürger eines Landes, um die es hierbei vor allem geht, sind keine Maschine, sie können nicht abgeschaltet werden, auch nicht im übertragenen Sinne. Sie sind autonom und treffen Entscheidungen. Wer nun aufgrund eines BGE seine Autonomie aufgeben würde, legte allenfalls sich selbst still, aber als Resultat einer Entscheidung. Sie ist jederzeit revidierbar.

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Erwerbskonten statt Bedingungsloses Grundeinkommen? Marcel Fratzscher sieht das so…

…in einem jüngeren Beitrag auf Zeit Online vom 9. Juni (ganz ähnlich bezogen auf den „Lebenschancenkredit“ am 23. Juni). Was führt ihn zu dieser Schlussfolgerung?

Er hebt so an:

„Auf lange Sicht kann in einer modernen Sozialen Marktwirtschaft jedoch keiner der beiden Ansätze [weder „Wohltaten“ in der Steuer- und Rentenpolitik noch ein BGE, SL] funktionieren. Eine neue Sozialpolitik sollte sich an die Bedürfnisse des Einzelnen anpassen, etwa durch flexible Ansprüche auf soziale Leistungen wie Bildung, Qualifikation, Familienleistungen oder Rente. Individuelle Erwerbskonten wären dafür ein gutes Instrument. Eine solche Sozialpolitik würde nicht nur individuelle Bedürfnisse besser befriedigen, sondern den Einzelnen auch mehr Freiheit und Autonomie verschaffen.“

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Paternalismus in zwei Kleidern – Kurt Beck und die Marktliberalen

Künstlich baut Kurt Beck in seinem Beitrag „Das soziale Deutschland“ (FAZ, 11. Juni, S. 10) einen Gegensatz zwischen der SPD und dem sogenannten Neoliberalismus der CDU auf. Vergessen gemacht werden soll wohl, wer die Politik der letzten Jahre maßgeblich geprägt hat: die SPD. In einer Reaktion auf Becks Beitrag hat Gerald Braunberger (FAZ, 12. Juni, S. 15) zurecht auf dessen verzerrte Darstellung des Neoliberalismus hingewiesen. Er hält nämlich, in der frühen ordoliberalen Gestalt, das staatliche Ordnungsgefüge für unerläßlich, um eine Marktwirtschaft zu ermöglichen.

Bei aller Kritik daran allerdings sind sich Beck und Braunberger auch einig, wie folgende Zitate zeigen:

Beck: Erwerbsarbeit ist es, die aus Armut und dauerhafter Ausgrenzung herausführt. Sie verschafft Anerkennung und Selbstwertgefühl, und sie öffnet den Weg in ein selbständiges Leben, und: Wer seine Zukunft durch eigene Anstrengung erst gewinnen muß, der spürt, welches Gewicht die Forderung nach gleichen Rechten hat. Nicht Besitz darf den Ausschlag geben, sondern die immer neue Chance des Erwerbs, nicht Ort oder Status der Geburt dürfen entscheiden, sondern allein die immer offene Perspektive eines tätigen Lebens.

Braunberger: Der neoliberale Staat ist allerdings eines nicht: eine Umverteilungsmaschine, deren Vertreter meinen, die Bürgersolidarität sei umso höher, je mehr Geld dem einen zwangsweise genommen und dem anderen gegeben werde. Er ist einer, der Freiheitsrechte innerhalb der von ihm gesetzten Ordnung respektiert, aber keiner, der den Menschen in paternalistischer Manier vorschreiben will, wie sie zu leben haben.

Worin unterscheiden sich beide Ausführungen? Doch nur darin, wie die Erwerbsverpflichtung realisiert werden soll, nicht aber darin, daß sie beibehalten werden muß. Beide wollen also gleichermaßen paternalistisch definieren, worin ein Beitrag zum Gemeinwesen besteht.
Erstaunlich ist an Becks Ausführungen, wie geschmeidig er einige der Schlagworte und Thesen aufgreift, die sonst von Befürwortern eines bedingungslosen Grundeinkommens gebraucht werden. Daran wird deutlich, wie genau in der voranschreitenden Grundeinkommensdiskussion hingeschaut werden muß, um einzuschätzen, was jemand vertritt (vgl. Enno Schmidt zu Straubhaar).

Einerseits spricht Beck von dem Willen der Einzelnen, einen Beitrag zu leisten – dann müssen sie folgerichtig nicht dazu gedrängt werden, wie es heute geschieht. Andererseits äußert er auch folgendes: Die demokratische Gesellschaft ist auf die aktive Beteiligung aller ihrer Bürgerinnen und Bürger gegründet. Sie entspricht damit dem Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit, das man auch auf die Formel „Mitarbeiten und Mitbestimmen“ bringen könnte.

Gerade der letzte Teil ist undemokratisch, weil er Mitbestimmung von Mitarbeit abhängig macht. Es heißt ja nicht „Mitbestimmen und Mitarbeiten“, Beck dreht die Reihenfolge um, aus Demokratie und Selbstbestimmung der Bürger wird eine Erwerbstätigengesellschaft. Der nächste Schritt wäre, eine vorübergehende Einschränkung der Bürgerrechte dort vorzusehen, wo ein Bürger sich dauerhaft der Erwerbsarbeit verweigert. Nun könnte man hier unterstellen, die sei eine bösartige Deutung, doch letztlich ist damit wörtlich genommen und konsequent weitergedacht, was in der zitierten Passage zum Ausdruck kommt. Vollwertiger Bürger ist in dieser Vorstellung nur der Erwerbstätige. Mit dieser Haltung läßt sich die sanktionierende Sozialpolitik à la Hartz IV sehr gut rechtfertigen.

Deutlich wird dies auch in der einzigen Passage, in der Beck sich zum bedingungslosen Grundeinkommen äußert: Ich finde es gar nicht so rätselhaft, daß von Marktradikalen bis zu Postkommunisten ein fauler Kompromiß über ein sogenanntes „bedingungsloses Grundeinkommen“ geschlossen wird. Durch Besitz Begünstigte drängen darauf, gering belastet und von der Gesellschaft in Ruhe gelassen zu werden. Das ist die übliche Abwehr, doch „in Ruhe gelassen“ – und zugleich ermutigt – würden alle. Die positive Seite der Ermöglichung, die auch Becks Vorstellung eines „vorsorgenden Sozialstaats“ innewohnen müßte, wäre mit dem bGE auf einfache Weise wirkungsvoll erreicht.

Weiter heißt es: Die anderen nehmen es hin, daß die Schwächeren nur noch alimentiert und damit abgespeist und ausgegrenzt werden. Das Ergebnis wäre sicher nicht die klassenlose Gesellschaft, sondern eine Spaltung Deutschlands in einen produktiven und einen stillgelegten Teil.

Wie ließe sich jemand ausgrenzen und abspeisen, der durch das bGE in die Lage versetzt würde, sein Leben in die Hand zu nehmen, zu jeder Zeit, für jede ihm wichtige Sache oder Person? Daß auch Beck, wie schon andere Kritiker (Daniela Schneckenburger, Oswald Metzger [beide Die Grünen]; Andrea Nahles, SPD) vor ihm, davon ausgehen, Bürger ließen sich stillegen, ist bezeichnend: So kann nur denken, wer den Menschen gar nichts zutraut und glaubt, zu allem bedürften sie einer fürsorglichen Betreuung. Hatte Beck dem nicht gerade an anderer Stelle widersprochen? Sein vorsorgender Sozialstaat ist ein bevormundender Betreuungsstaat, das ist gewiß.

Obwohl Beck auch solche Dinge sagt: Leistungsträger sind doch nicht nur Besserverdiener, sondern oft gerade die kleinen Leute in ihrem Beruf, in ihrer Nachbarschaft, in ihrem Verein und ihrer Familie – besteht kein Zweifel, für welche Zukunft er steht. Im Unterschied zu anderen Mitgliedern der SPD, wie im Kreisverband Rhein-Erft, nimmt er die Freiheit der Bürger nicht ernst, würde er sonst entsprechende Vorschläge unterbreiten und das bGE in seinen Chancen erkennen. Was er und auch seine Kritiker vorschlagen, ist doch nur eine Fortsetzung der aktivierenden entmündigenden Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik mit anderen Vokabeln. Auch damit unterschätzen beide die mündigen Bürger, die das bemerken.

Sascha Liebermann

Leerlaufende Abwehr – Daniela Schneckenburger (Bündnis 90/ Die Grünen) zum bedingungslosen Grundeinkommen

„Leerlaufende Abwehr“ – so könnte das Interview mit Daniela Schneckenburger, „grüne Landeschefin“ in Nordrhein Westfalen („Radikale Alternativen sind gerade attraktiv“, taz vom 1.12.2006) übertitelt werden. Anläßlich der Bundesdelegiertenkonferenz in Köln geführt, stößt man in diesem Interview zwar nicht auf interessante oder beachtenswerte Argumente gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Statt dessen können wir es vielmehr als Dokument dafür betrachten, wie sehr die Gegner damit ringen, sich die Idee vom Leibe zu halten.

An einer Stelle des Interviews heißt es: „…Ich halte diese Idee [des bGE, SL], wie auch Teile der Gewerkschaften, für eine Stilllegungsprämie, die endgültige Resignation vor der Arbeitslosigkeit.“ Ganz abgesehen davon, daß Menschen nicht stillgelegt werden können – es sei denn, man zählt sie zu den Überflüssigen, wie es heute zum guten reaktionären Ton gehört – ist diese Aussage bezeichnend. Sie spricht uns Bürgern nämlich die Fähigkeit ab, uns gegen Stillegungsversuche zu wehren. Was traut uns Frau Schneckenburger denn noch zu, wenn sie diese Gefahr sieht? Offenbar gar nichts, ihre Äußerung bezeugt nur eine bevormundende Haltung, die sich heute den Mantel der Fürsorge gerne umlegt und sich um unser Wohl vermeintlich sorgt – unser Wohl, das von ihr definiert wird.

Besonders deutlich wird dies, wo die Interviewerin auf die Initiative fördernde Wirkung des Grundeinkommens hinweist und Frau Schneckenburger antwortet: „…Das ist eine sehr idealistische Sicht. Machen wir uns nichts vor: In dieser Gesellschaft ist Arbeit, vor allem bezahlte Arbeit, für viele Menschen sinnstiftend. Nicht jeder Mensch hat die Fähigkeit, aus sich selbst heraus eine Betätigung zu finden…“. Wenn denn bezahlte Arbeit für viele sinnstiftend ist, dann müssen wir uns keine Sorgen darum machen, was die Bürger nach Einführung eines solchen Grundeinkommens tun werden. Aber, aus dieser Regel, in die man vertrauen könnte, folgt für Frau Schneckenburger nicht das, was naheläge. Sie stellt die Erfahrung, in der Regel engagieren sich die Bürger für ihren Beruf, auf den Kopf. Nur weil nicht jeder – also nicht alle, aber doch die meisten – in der Lage sei, aus sich heraus eine Betätigung zu finden, wäre ein solches Grundeinkommen nicht der richtige Weg. „Zwang zur Vermittlung in Arbeit“ mache „keinen Sinn“, so Frau Schneckenburger weiter. Doch, was ist denn eine Erwerbsverpflichtung anderes als Zwang, wenn man sich nur unter Inkaufnahme von Sanktionen dagegen entscheiden kann? Also, alles schönes Gerede. „Aktive Arbeitsmarktpolitik“, die ihr so am Herzen liegt, kann es genauso geben, wenn ein Grundeinkommen eingeführt wird. Werden wir sie noch benötigen? Das können wir dann sehen, wenn es so weit ist.

Die Geistesverwandtschaft mit Hartz IV fällt der Interviewerin auf. Sie fragt, worin der Unterschied zwischen Hartz IV und den Vorstellungen der Grünen bestehe. Darauf die Antwort: „Menschen ohne Arbeit brauchen mehr als Heizung, Kleidung und Essen. Sie müssen auch am gesellschaftlichen Leben teil nehmen können, ihr Kind zum Beispiel ein Instrument spielen lassen. Das Einkommen muss höher sein als das jetzige Arbeitslosengeld II.“ Tatsächlich? Eine mutige Antwort, die der Frage geschickt ausweicht, denn mit einem entsprechend hohen Grundeinkommen wäre das kein Problem.

Um zu sehen, wie weit es mit bürgerschaftlichem Denken her ist, sei zum Schluß noch eine andere Passage zitiert: „…Völlig absurd würde es, wenn – wie in manchen Konzepten gedacht – das Grundeinkommen jeder erhalten soll. Denn warum soll jemand ein Existenzminimum kriegen, der ein hohes Einkommen oder Vermögen hat?“ So spricht, wer nicht die Bürger als Bürger gleichstellen will, wer also das Grundeinkommen nicht als Bürgereinkommen betrachtet, sondern als barmherzige Gabe. Was unterscheidet denn „Vermögende“ von anderen hinsichtlich ihrer Bedeutung für unser Gemeinwesen? Nichts. Sie sind gleich. Nur wenn das bedingungslose Grundeinkommen unabhängig von den Einkommen betrachtet wird, die durch eine Leistungserbringung zusätzlich erzielt werden, ist es in seiner ganzen Bedeutung begriffen. Erst dann hätten wir uns eine freiheitliche Ordnung gegeben, die die Menschen nicht nach ihrem Einkommen bewertet, sondern danach, was sie damit tun: Investieren sie, sollten sie steuerfrei bleiben, konsumieren sie Leistungen, sollten sie besteuert werden.

Sascha Liebermann