„Das Ende der Demokratie“ – Interview mit Kardinal Marx nun online…

…nun steht das gesamte Interview, das die Süddeutsche Zeitung geführt und das wir kürzlich kommentiert haben (siehe auch hier), online als Abschrift zur Verfügung. Die Passage zum Bedingungslosen Grundeinkommen ist am Ende zu finden:

SZ: „Es gibt Experten, die sagen, dass im Zuge der Digitalisierung ein nicht unerheblicher Teil der Menschen arbeitslos werde, weil man sie schlicht nicht mehr braucht. Diese Leute dürften dann zu Hause bleiben. Die Diskussion dreht sich um ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das heißt, wir werden irgendwann eine sehr große Gruppe der Gesellschaft sehen, die zu Hause sitzt. Ist das sozial?“
Marx: „Nein. Das ist das Ende der Demokratie. Wer meint, man könne eine Gesellschaft aufbauen, indem man einen großen Teil mit dem Grundeinkommen versorgt und ansonsten Unterhaltungsindustrie auf sie loslässt, liegt meiner Ansicht nach falsch. Denn die Arbeit ist nicht irgendetwas, sondern die Arbeit gehört auch zur Grundkonstitution des Menschseins: Dass ich etwas schaffe für mich und meine Familie, was von Wert ist, nicht bedeutungslos ist. Die politischen Folgen sehen wir ja in manchen Bereichen jetzt, wenn Leute den Eindruck haben: „Ich bin abgehängt, ich bin zu nichts mehr nütze.“ Deswegen muss man darauf achten, dass das normale Arbeitsverhältnis, dass jemand von seiner Arbeit lebt und da auch etwas schafft und etwas Sinnvolles tut, für die Gemeinschaft und in der Gemeinschaft wichtig ist – das ist eine Säule für eine freie Gesellschaft. Und wenn diese Säule gekappt wird, erodiert auch die Demokratie. Und deswegen sollte uns das bekümmern.“

„Zürich steht vor dem Grundeinkommen-Experiment“…

…meldet der Tagesanzeiger in der Schweiz, auch die Neue Zürcher Zeitung berichtet.

Aus dem Artikel des Tagesanzeigers: „Die Utopie lebt weiter: Mit 61 zu 59 Stimmen hat der Gemeinderat den SP-Vorstoss überwiesen, der einen Testlauf mit dem bedingungslosen Grundeinkommen verlangt. Ob das Experiment tatsächlich durchgeführt wird, ist offen: Der Vorstoss wurde nicht wie von der SP ursprünglich geplant als verpflichtende Motion überwiesen, sondern in der abgeschwächten Form eines Postulats; der Stadtrat hat nun zwei Jahre Zeit, dieses zu prüfen…“

„Menschen einen guten angenehmen Lebensstandard zu geben“…

…, das hält Adair Turner, Vorsitzender des Institute for New Economic Thinking (INET) in einem Interview zum Bedingungslosen Grundeinkommen, für wichtiger als mehr Selbstbestimmung. Folgende Passagen sind besonders interessant. In der ersten geht es um Statusgüter:

„In einer Umgebung, in der Statusgüter (wie ein Grundstück in einer bestimmten Gegend) ein extrem wichtiger Teil dessen sind, wie unser individueller Lebensstandard aussieht, sind wir in einer Situation gefangen, in der das Individuum nicht mehr die Option hat, weniger zu arbeiten und mehr Freizeit zu haben. Die Menschen leben innerhalb einer Gesellschaft, in der das kollektive Verhalten bestimmt, welche Optionen dem Individuum zur Verfügung stehen. Wenn jeder Mensch seinen eigenen Weg wählen würde, wären die Auswahlmöglichkeiten auch anders.“

„Menschen einen guten angenehmen Lebensstandard zu geben“… weiterlesen

Pro und Contra Bedingungsloses Grundeinkommen in der taz…

…für die Pro-Seite Daniel Häni, für die Contra-Seite Ulrike Herrmann. Hier geht es zum Beitrag.

Über den Beitrag von Ulrike Herrmann kann man sich nur wundern angesichts differenzierter Finanzierungsüberlegungen (z. B. von Helmut Pelzer und Ute Fischer) jenseits des von ihr gewählten Beispiels. Dass das Sozialbudget nicht einfach umgerechnet werden kann in ein BGE, ist klar. Genauso klar ist aber, dass heute erworbene Ansprüche sehr wohl anteilig durch den Betrag eines BGE gedeckt werden können. Also müsste man niemandem etwas „wegnehmen“, wie Herrmann bemerkt. Gleichwohl stellt sich die Frage, welche Sicherungssysteme wir in Zukunft haben wollen, welche sinnvoll sind, ob es Aufgabe solcher Systeme ist, den Lebensstandard abzusichern. Ein BGE pro Person, das in Haushalten kumulieren würde, eröffnet eine andere Perspektive.

(Siehe „Befreiung durch Bildung oder durch „Machtumverteilung“? – zur Diskussion in der Phoenix-Runde“ und weitere Kommentare zu Ausführungen von Ulrike Herrmann).

Sascha Liebermann