„Precht versus Butterwegge“ – mit zweierlei Maß? Was schreiben die Nachdenkseiten dazu?

Die Nachdenkseiten sind für manches eine interessante Quelle, auch für ihre Anmerkungen zur Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen – aber nicht etwa wegen ihrer differenzierten Einwände, sondern wegen ihrer Einseitigkeit. Jens Berger kommentierte nun das kürzlich abgedruckte Gespräch zwischen Richard David Precht und Christoph Butterwegge so:

„Prechts Äußerungen sind wirklich erschreckend. Man fragt sich unweigerlich, womit er eigentlichen den Ruf eines kritischen Vordenkers verdient hat. Seine Aussagen zum Grundeinkommen schwanken jedenfalls zwischen Banalitäten, Dummheiten und ungeschminktem Sozialrassismus. Dazu passt diese Passage aus dem Gespräch, die im „philosophie Magazin“ abgedruckt wurde …“ [An dieser Stelle wird die Passage zitiert, die für Aufsehen gesorgt hat, siehe hier, SL]

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Trotz interessanter Überlegungen – Prechts Paternalismus neu aufgelegt

Da kann man Christoph Butterwegge, der nun wahrlich selbst paternalistische Einwände gegen ein BGE anführt, nur Recht geben mit seiner Entgegnung auf Precht in der hier abgebildeten Passage. Besonders irritierend ist, dass Precht zu Beginn der Aufzeichnung selbst ein Szenario entwirft, indem eine Mutter (warum nicht auch die Eltern?), mehr Zeit für ihre Kinder haben soll. Will man ihr die Entscheidung überlassen, braucht sie die Möglichkeiten dazu und die hat sie nicht, wenn sie erwerbstätig sein muss. Dass Kinder in bestimmten Altersphasen vor allem bei den ihnen am nächsten stehenden Personen sein wollen, taucht überhaupt nicht auf. Sonderbar, wie er für Selbstbestimmung plädieren kann, dazu interessante Überlegungen anführt und dann doch von oben auf bestimmte Gruppen herabblickt. So überraschend ist diese Haltung allerings nicht, zeigte sie sich doch schon früher gepaart mit einem Hang, Unterganggszenarien zu zeichnen (siehe hier sowie weitere Kommentare zu seinen Ausführungen). Hier geht es zum Podcast des DLF, in dem ich die aus dem Philosophiemagazin kopierte Passage nicht finden konnte, das hat womöglich damit zu tun, dass es sich um einen Zusammenschnitt handelt.

Sascha Liebermann

„Ein besseres Leben für alle oder das Ende des Sozialstaats?“ – wieder einmal Precht gegen Butterwegge…

…oder auch anders herum diesmal beim Deutschlandfunk Kultur. Hier geht es zum Podcast.

Woran liegt es, dass wirklich häufig dieselben Fürsprecher oder Kritiker aufeinandertreffen? Wäre es nicht einmal interessant, ungewöhnliche Konstellationen oder auch andere Positionen zu Wort kommen zu lassen, um so die Differenziertheit der Debatte deutlich zu machen? Wo geht es einmal um Bedingungsloses Grundeinkommen und Familie, um Bildung und Weiterbildungsmöglichkeiten dadurch, um seine Bedeutung für das Feld der Sozialarbeit, für Innovativität und Muße, für ein Verhältnis zum Wirtschaften, in dem nicht die Arbeitsplätze, sondern die Wertentstehung im Zentrum steht? Oder um die Bedeutung eines BGE für das Selbstverständnis als politisches Gemeinwesens im Unterschied zum Selbstmissverständnis einer Arbeitsgesellschaft?

Sascha Liebermann

„Paritätischer fordert vollständige Abschaffung der Sanktionen in Hartz IV“…

starke Worte sind das, was aber wird genau gefordert?

„Eine vollständige Abschaffung der Sanktionen in Hartz IV fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband anlässlich der heute von der Bundesagentur für Arbeit vorgestellten Statistik. Notwendig sei eine komplette Neuausrichtung der Grundsicherung. Der Verband kündigt an, innerhalb der kommenden zwei Wochen ein eigenes Konzept zur Reform von Hartz IV vorzulegen…“

Da kann man gespannt sein, wie das gehen soll, denn die Sanktionen rechtfertigen sich vor dem Hintergrund dessen, dass das Arbeitslosengeld II nicht als dauerhafte Alimentierungsleistung konstruiert ist und die Verpflichtung besteht, Erwerbsarbeit aufzunehmen. Helga Spindler (siehe auch hier), die Hartz IV ebenfalls kritisiert, hat eingräumt, dass auf Sanktionen nicht ganz verzichtet werden kann; Christoph Butterwegge hat dasselbe zu erkennen gegeben, auch wenn er es selten ausspricht. Wer also ernst machen wollte mit der Aufhebung von Sanktionen, muss das Ziel der bedarfsgeprüften Leistungen verändern: nicht Rückführung in Erwerbstätigkeit stünde dann im Zentrum, sondern Stärkung von Autonomie. Das geht nur ohne das Erwerbsgebot.

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„Das Grundeinkommen polarisiert“ – das liegt auch am Schubladendenken

Ein Beitrag auf den Nachdenkseiten, der einige weitere Leserbriefe auf Jens Bergers Kritk am Bedingungslosen Grundeinkommen versammelt, weist auf die polarisierende Wirkung des Grundeinkommens hin. Sowohl auf den Originalbeitrag Bergers als auch die ersten Reaktionen in Form von Leserbriefen finden Sie Links im Beitrag. Diese kleine Sammlung von Beiträgen ist insofern interessant, als sie zum einen wenig brauchbare Argumente für ein BGE (auch von Befürwortern) bieten, die Berger zurecht kritisiert (allerdings auch einseitig, siehe meinen frühren Beitrag dazu hier). Sie zeigen in den Erwiderungen – auch Bergers – wie schnell mit Schubladen gearbeitet und wenig differenziert wird.

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„Paris will Arbeitslose stärker kontrollieren“…

…so die Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Solange im bestehenden Gefüge sozialer Sicherung gedacht wird, ist das konsequent, man denke nur an Äußerungen von Christoph Butterwege, der gemeinhin als Kritiker scharfer Sozialpolitik gilt, aber von der notwendigen Schärfe gegenüber Erwerbsfähigen gar nicht absehen will. Aber auch andere halten Sanktionen im bestehenden Sozialstaat für unerlässlich, so z. B. auch Helga Spindler (siehe auch hier).

Bedingungsloses Grundeinkommen und bedarfsgeprüfte Leistungen: entwirrt

In der Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen wird nicht selten behauptet, damit es eingeführt werden könne, müssen alle bisher bestehenden Leistungen der Systeme sozialer Sicherung abgeschafft werden. Manche, wie Christoph Butterwegge, nennen das die neoliberale Variante eines BGE – ein einfaches Spiel mit Schubladen. Sie kann nicht als verbreitete Position in der öffentlichen Debatte gelten, wer es also ernst meint mit der Auseinandersetzung, kann sich auf sie nicht berufen. Wer sich dennoch darauf beruft, betreibt bewusste Irreführung. Nur weil Vorstände großer Unternehmen oder Unternehmer für ein BGE sind, so munkeln andere, sei das schon verdächtig. Dabei fällt diese Vorverurteilung auf diejenigen zurück, die sie vornehmen, so, als könne und wolle jeder nur über das nachdenken, was zu seiner vermeintlich sozialen Verortung passe. Auch Thomas Straubhaar räumt in seinem Buch „Radikal gerecht“ ein, dass bedarfsgeprüfte Leistungen sehr wohl beibehalten werden können, letztlich sei es eine Frage des politischen Willens, mag er auch selbst die Beibehaltung nicht favorisieren.

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Argumentationslose Ablehnung in sozialwissenschaftlichem Gewand

In jüngerer Zeit sind wieder Veröffentlichungen zum Bedingungslosen Grundeinkommen erschienen, die in gewisser Hinsicht symptomatisch für den Stand der Diskussion sind. Wären es kritische Abhandlungen, die wichtige Fragen aufwürfen, könnten sie für die Diskussion hilfreich sein, denn auch auf Seiten der Befüworter gibt es untaugliche Argumente für ein BGE. Doch die hier zu erwähnenden Abhandlungen strotzen vor Denkverweigerung, weil die Autoren das BGE einfach nicht haben wollen. Das ist ihr gutes Recht, sie sagen es aber nicht offen, sondern kleiden ihre Ablehnung in sozialwissenschaftlich daherkommende Gewänder, so z. B. bei Christoph Butterwegge auf der Gewerkschaftsplattform gegenblende (siehe auch hier) oder bei Gerhard Bäcker, Prof. em. an der Universität Duisburg-Essen, in seinem IAQ-Standpunkt „Grundeinkommen: besinnungslos bedingungslos“. Ronald Blaschke hat einige der in Bäckers Ausführungen enthaltenen Unterstellungen zusammengefasst, siehe „Besinnungslose Kritik am Grundeinkommen“. Vor einigen Jahren war schon der ehemalige Sozialrichter Jürgen Borchert durch den vehementen Widerwillen aufgefallen, sich tatsächlich mit dem BGE auseinanderzusetzen. Auch Andrea Nahles hat ihre argumentationslose Ablehnung in diesem Jahr sehr deutlich gemacht.

Sascha Liebermann

„Bedingungsloses Grundeinkommen klingt schön, ist es aber nicht“…

…unter diesem Titel fasst Norbert Häring eine Stellungnahme des verdi-Bundesvorstands zum Bedingungslosen Grundeinkommen zusammen (Langfassung). Häring teilt die Einschätzung, was seiner eigenen Stellungnahme zum BGE aus dem Jahr 2015 entspricht. Damals stellte er schon fest, dass es sich um eine „schlechte und in sich widersprüchliche Idee“ handelt. Ich verfasste darauf eine Entgegnung, auf die Norbert Häring wiederum reagierte. Ein aufschlussreicher Disput war das, der zeigt, dass es bei volkswirtschaftlichen Fragen um viel mehr als um „Wertschöpfung“ und „Erwerbsarbeit“ geht. Ein weiteres Mal antwortete ich allerdings nur, um einen bestimmten Aspekt herauszuheben, und zwar die Frage, ob es bei Existenzsicherungsleistungen um Großzügigkeit oder einen Rechtsanspruch geht.

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Einseitige Skepsis – die Nachdenkseiten wieder einmal zum Bedingungslosen Grundeinkommen

Es ist nichts Neues, wenn die Nachdenkseiten wieder einmal „Skepsisgegenüber dem Bedingungslosen Grundeinkommen bekundeten, so auch am 16. Oktober in den Hinweisen des Tages (Hinweis Nr. 10). Anlass war die Meldung, dass Dax-Chefs eine bessere soziale Absicherung fordern. Auf den Nachdenkseiten wurde dem entgegengehalten, dieselben könnten sich doch für bessere Löhne einsetzen, das war wohl als Finte gegen das BGE gedacht, hat aber mit dem BGE gar nichts zu tun, weil es dabei um mehr geht als um bessere Löhne; es geht um ein anderes Verständnis von Arbeit, von Arbeit und Leben, von Tätigsein, von Gemeinwesen. Ein anderes Verständnis allerdings, das dem Bestehenden nicht einfach als Versprechen einer besseren Welt entgegengehalten wird. Vielmehr lässt sich dieses Versprechen als etwas verstehen, das im Bestehenden angelegt, schon enthalten ist. Die Diskussion um ein BGE weist also vielmehr auf Widersprüche im Bestehenden, auf verschenkte bzw. ignorierte Möglichkeiten hin, die nicht gesehen werden oder nicht gesehen werden wollen, weil an einer ganz bestimmten Wertigkeit von Arbeit und Solidarität festgehalten wird, wie jüngst die Ausführung von Michael Müller zu einem „solidarischen Grundeinkommen“ erkennen ließen. Erstaunen lässt einen diese Einseitigkeit der Nachdenkseiten gegenüber dem BGE, weil sie sonst viel auf ihre „kritische“ Haltung gegenüber dem Mainstream geben. Wenn es um das BGE geht, scheint davon nichts mehr übrig zu sein. Auch da dominieren bestimmte Werthaltungen. Das ist vollkommen legitim, es wäre dann allerdings angemessener, sie als solche zu kennzeichnen.

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