„Ohne Ehrenamtliche wäre die Lebensqualität ruckzuck im Eimer“…

…so der Titel eines Interviews mit Franz Müntefering in den Ruhr Nachrichten. Müntefering hebt dabei die Bedeutung von Ehrenamtlichen für viele Aufgaben im Gemeinwesen heraus, die Haushaltstätigkeiten, die einen viel höheren Umfang an Stunden in Anspruch nehmen, erwähnt er nicht.

Siehe hier und eine ausführliche Fassung hier, einen Kommentar von Stefan Sell hier, von mir hier und hier.

Was sagt der ehemalige SPD-Vorsitzende zum BGE?

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„Die Bürger sind doch keine Mäuse, an denen man wie im Labor etwas ausprobiert“…

…so Norbert Blüm in einem Interview mit Business Insider über das Bedingungslose Grundeinkommen. Das Zitat trifft den Nagel auf den Kopf, bezieht sich allerdings nur auf Feldexperimente zum BGE. Seine weiteren Ausführungen waren eher zu erwarten, wenn man seinen Beitrag aus dem Jahr 2007 zum „Wahnsinn mit Methode“ kennt.

Schon der Beginn ist vielsagend:

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„Grundeinkommensexperimente in den Niederlanden?“

Kürzlich hatten wir auf einen Beitrag über die Experimente verwiesen, die in den Niederlanden bevorstehen sollen. Oft werden sie mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen in Verbindung gebracht, obwohl sie damit gar nichts gemein haben. Wir hatten vor längerer Zeit schon darüber berichtet. Angesichts der aktuellen Meldungen weist nun Ronald Blaschke auf der Website des Netzwerk Grundeinkommen ebenfalls darauf hin. Es geht dabei nicht um ein BGE, sondern um die Zuverdienstregelungen für Sozialhilfebezieher, diese sollen verändert werden. Blaschke zitiert den Präsidenten der Vereniging Basisinkomen: „‚Grundsätzlich hat das Experiment nichts mit einem Grundeinkommen zu tun“, so Alexander de Roo, Präsident der Vereniging Basisinkomen in den Niederlanden. Es handelt sich lediglich um die Möglichkeit des anrechnungsfreien Dazuverdienens für Sozialhilfebeziehende, nicht um ein Grundeinkommen für alle Bürgerinnen und Bürger. Nichtsdestotrotz sind die Parteien in Bewegung – schließlich erstellen sie gerade ihre Wahlprogramme für die Nationalwahl im März. „Wir hoffen, dass danach Grundeinkommensexperimente möglich werden“, erklärt de Roo weiter.“

Kindesunterhalt und Bedingungsloses Grundeinkommen – Anmerkung zum Unterhaltsvorschuss

Wie kürzlich gemeldet, plant die Bundesregierung ein Gesetz zum Unterhaltsvorschuss. In der Stellungnahme heißt es:

„Zahlt ein unterhaltspflichtiger Elternteil keinen Unterhalt, drohen häufig finanzielle Probleme. Gerade wenn der Partner keinen Unterhalt zahlt, müsse der Staat besser unterstützen, so Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig. Daher sollen Kinder nun bis zum 18. Lebensjahr Unterhaltsvorschussleistungen erhalten. Die Begrenzung der Bezugsdauer wird aufgehoben. Das Kabinett hat eine Formulierungshilfe für einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen.“

Weiter heißt es dort:

„Die Höhe des Unterhaltszuschusses richtet sich bundesweit nach dem Mindestunterhalt. Dieser ist Grundlage für die Berechnung des Unterhaltsvorschussbetrages. Vom Mindestunterhalt wird das zu zahlende Kindergeld in voller Höhe abgezogen.
Aufgrund der Erhöhung des Mindestunterhalts steigt der Unterhaltsvorschuss zum 1. Januar 2017 für Kinder bis zu 5 Jahren auf 152 Euro monatlich, für ältere Kinder auf 203 Euro pro Monat. Die Leistung kann bei den zuständigen Jugendämtern beantragt werden.“

Dieses Vorhaben mag eine Besserung im Verhältnis zur gegenwärtigen Lage alleinerziehender Eltern sein. Doch hilft es ihnen auch, mehr Zeit für ihre Kinder aufwenden und weniger erwerbstätig sein zu können? Ähnlich wie eine Kindergrundsicherung handelt es sich wohl eher um einen Tropfen auf den heißen Stein angesichts der erwerbszentrierten Sozialpolitik. Daran würde auch eine Kindergrundsicherung bzw. ein Kindergrundeinkommen nichts ändern. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen hingegen für Erwachsene wie Kinder gleichermaßen, das wäre wirklich ein Schritt.

Siehe auch meinen früheren Kommentar zum Kindesunterhalt.

Sascha Liebermann

Marcel Fratzscher über das Bedingungslose Grundeinkommen…

… in „Algorithmen, Roboter, hybride Teams – Arbeitswelt 4.0“ im Rahmen der Sendung HR2 Der Tag. Ab Minute 37’27 etwa geht es um das BGE. Fratzscher erweist sich in seiner Zurückweisung als waschechter paternalistischer Sozialdemokrat der Gegenwart, wenn er im BGE ein Instrument sieht, mittels dessen Menschen („schwächere Gruppen“) darum gebracht werden, ihre Talente zu benutzen. Es darf dann der Hinweis darauf nicht fehlen, wie wichtig es sei, dass mehr Plätze in Ganztagskitas und -schulen geschaffen werden.
Wozu brauchen Kinder denn schon Zeit in der Familie? Bildungsangebote, so früh wie möglich, helfen, „employability“ „sicherzustellen“!

„Wir wären überfordert von dem Gewinn an Freiheit“ – sonderbare Vorbehalte von Inge Hannemann

…meint Inge Hannemann in einem Interview, das Marius Hasenheit für der freitag mit ihr geführt hat. Was macht sie da so sicher?

Zwar geht es in dem Interview vor allem um die Sanktionspraxis der Jobcenter in Deutschland und die Praxis in anderen Ländern, aber alleine die hier zitierte Aussage macht es kommentierenswert:

„…Aber wir brauchen neue Ansätze, allen voran das Grundeinkommen. Stellen wir uns vor, es käme morgen: Wir wären überfordert von dem Gewinn an Freiheit in einer Leistungsgesellschaft. Denn auf einmal müsste sich jede und jeder mit sich selber beschäftigen und fragen: Was will ich in meinem Leben machen?“

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„Grundeinkommen führt in die Knechtschaft“ – nachlässige oder mutwillige Schlussfolgerungen?

…meint Reiner Eichenberger von der Universität Fribourg (Schweiz) in einem Beitrag für die Handelszeitung. Er plädiert gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen und für ein Grundkapital. In seinem Beitrag schreibt er gleich zu Beginn:

„Bald stimmen wir über das bedingungslose Grundeinkommen ab. Für seine Verfechter ist es eine Art Befreiungstheologie. Sie predigen, dank Grundeinkommen könnten alle arbeiten, weil sie wollen, nicht weil sie müssen.“

Ist das ein Zeichen dafür, dass es ernst wird in wenigen Wochen in der Schweiz, wenn solche Polemik nötig ist? In Deutschland, es liegt schon einige Jahre zurück, sind Grundeinkommensbefürworter mit „Evangelikalen“ verglichen worden. Das sprach ebenfalls Bände. – Und: stimmt es etwas nicht, dass ein BGE mehr Freiräume verschaffen würde, so dass das Wollen im Zentrum stehen kann?

Er schreibt weiter:

„Zudem beseitige es [das BGE, SL] die Sozialhilfefalle: Die heutige bedingte Sozialhilfe mindert die Arbeitsanreize der Leistungsempfänger, weil deren Bezüge entsprechend ihrem erarbeiteten Einkommen gekürzt werden.“

Gibt Eichenberger hier nun die „Befreiungstheologen“ wider oder ist das seine Position? Dass das BGE auch in der Sozialhilfe alles ändern würde, ist klar. Die Einschätzung zur „Sozialhilfefalle“ ist verbreitet und gehört zu den gängigen Behauptungen. Ihr empirischer Gehalt ist jedoch alles andere als gesichert, wie die Untersuchungen „Wer sitzt in der Armutsfalle“ von Georg Vobruba, Hanna Petschauer, Ronald Gebauer gezeigt haben. Gebauer hat sich in einer eigenen Arbeit „Arbeit gegen Armut“ der Frage nochmals gewidmet und die Befunde erhärtet. Wie das mit Theoremen so ist, sind sie schnell aufgestellt, verbinden sich mit gewissen Vorurteilsstrukturen der Alltagswelt und verbreiten sich dann als Gewissheiten. Für die Schweiz sei auch auf die Studie „Working Poor in der Schweiz“ hingewiesen, darin sind besonders die Fallanalysen von Stefan Kutzner aufschlussreich, um zu verstehen, vor welchen Schwierigkeiten Sozialhilfebezüger stehen und wie wenig das Armutsfallentheorem trägt.

Eichenberger wird dann dramatisch – man muss die Formlierung wohl als Anspielung an ein Buch von Friedrich von Hayek verstehen:

„Doch das Grundeinkommen führt nicht in die Freiheit, sondern in die Knechtschaft. Die Initianten vertreten ein Grundeinkommen von 30 000 Franken jährlich für alle, was insgesamt über 200 Milliarden jährlich kosten würde. Wenn das Ganze nicht defizitär sein soll, muss ein Durchschnittsbürger mit heute etwa 50 000 Franken steuerbarem Einkommen sein eigenes Grundeinkommen aus seinem Arbeitseinkommen finanzieren. Dafür bräuchte es einen Steuersatz von rund 60 Prozent auf seinem gesamten Einkommen. Hinzu kämen die Steuern für alle anderen Staatsleistungen. Einkommenssteuersätze von 80 bis 100 Prozent wären also angesagt.“

Hier würde man gerne wissen, wie er gerechnet hat. Die Auswirkungen sind davon abhängig, wie die Steuerabschöpfung gestaltet wird, wobei das nicht mechanisch zu verstehen ist, so als führe das eine direkt zum anderen. Es muss aber auch berücksichtigt werden, wie sich ein BGE, aufgrund der Handlungsmöglichkeiten, die es schafft, auf die Wertschöpfung (Produktivitätssteigerung), die Arbeitsabläufe, die vermutliche Abnahme von „face time“ (siehe auch hier), weil es mehr um Wertschöpfung als um Anwesenheit am Arbeitsplatz gehen würde, auswirkt.

Für Eichenberger weist das hingegen in eine ganz andere Richtung:

„Die negativen Anreize gegen Erwerbsarbeit und für Steuervermeidung sind offenkundig. Je mehr Einwohner aber der Steuer ausweichen, desto höher müssen die anderen besteuert werden und desto enger muss die Kontrolle werden.“

Was er nonchalant übergeht, ist hingegen von weitreichender Bedeutung: dass nämlich die Bürger eines Gemeinwesens grundsätzlich loyal sind und sein müssen, damit ein Gemeinwesen überhaupt existieren kann. Massenhafte Steuervermeidung wäre ein Vergehen gegen die Rechtsgemeinschaft. Wenn es dazu kommt, muss schon zuvor Vieles geschehen sein oder die Rechtsgemeinschaft als politisches Gemeinwesen in Frage stehen. Diesen Fall sieht Eichenberger offenbar mit einem BGE gekommen, das ist allerdings wiederum eine bloße Behauptung und er vergisst darüber, dass das BGE ja nur dann eingeführt werden kann, wenn es in der Abstimmung eine Mehrheit erhält. Damit wäre es demokratisch legitimiert und bindend für alle Bürger. Würde Eichenberger daran zweifeln, dass solche Entscheidungen auch als bindend angesehen werden? Oder vertraut er einfach nicht darauf, dass die Bürger in der Regel loyal sind?

Ganz konsequent ist dann auch sein Szenario:

„Die Finanzierung des Grundeinkommens bringt deshalb einen absoluten Überwachungsstaat. Aber nicht nur die Freiheitsverheissungen sind falsch, sondern auch die Bezeichnung bedingungsloses Grundeinkommen: Wirklich erhalten würden es nur diejenigen, die nicht arbeiten.“

Und all das folgt nur aus dem „Anreiz“-Modell, dessen Geltung einfach so dahingestellt wird. Weshalb erhalten es „wirklich“ nur die, die nicht arbeiten? In dieser Schlussfolgerung werden zwei Dinge verwechselt: 1) Die Frage, wer Nettozahler und -empfänger ist – dabei geht es darum, wer, finanztechnisch gedacht, mehr Steuern bezahlt, als er in Gestalt des BGE erhält. 2) Diese erste Frage hat mit der zweiten gar nichts zu tun, in der es um den Bereitstellungsmodus geht. Das BGE würden alle erhalten, ganz gleich, ob sie andere Einkommen hätten. Somit erhielte es jeder, weil es an die Person geht in Absehung von ihrem Leistungsvermögen. Dadurch unterscheidet sich das BGE vollständig von Lohnersatz- (Arbeitslosengeld) oder Einkommenskompensationsleistungen (Sozialhilfe), die wie heute kennen. Das BGE basiert auf einer anderen Solidarvorstellung. Ganz gleich ob nun jemand Nettozahler oder -empfänger ist, der Charakter des BGE bleibt erhalten. Wer allerdings bilanziert, ob jemand mehr Steuern bezahlt oder erhält, kann das nicht sehen. Dann sieht er eben nicht den anderen normativen Charakter des BGE.

Zuletzt sei noch die folgende Passage kommentiert:

„Lehrreich ist das Verhalten kluger Eltern. Sie geben ihren Kindern keine lebenslangen Renten, sondern ein Startkapital.“

Schon dieser Vergleich bezeugt, wie schnell unterschiedliche Dinge in einen Topf geworfen werden. Eichenberger kann ihn ja nur deswegen bemühen, weil er eine Versorgung durch die Eltern mit einer durch das Gemeinwesen gleichstellt. Familien sind jedoch im Unterschied zur modernen Demokratie partikularistische Gebilde, die Beziehungen sind von Loyalität zueinander als konkrete Menschen bestimmt. Familie ist, was die Kinder betrifft, eine Zwangsstruktur, sofern die Eltern stets die letzte Entscheidung darüber haben, was gemacht wird. Die Legitimationsquelle elterlicher Entscheidungen sind nicht die Kinder. Wenn Eltern eine lebenslange Rente bezahlen, setzen sie die Abhängigkeitsverhältnisse in der Familie fort. Solche „Renten“ würden eine Loyalität gegenüber den Eltern befördern und damit Autonomie als Bürger unterlaufen. Genau diese Abhängigkeit ist aber mit der in einem demokratischen Gemeinwesen nicht vergleichbar, denn Loyalität dort muss gegenüber der politischen Gemeinschaft als ganzer, nicht gegenüber einzelnen Personen bestehen. Deswegen sind Demokratien universalistisch oder wie Ralf Dahrendorf es einmal ausgedrückt hat: Der Staatsbürger ist der Feind aller Klassen, ganz gleich aus welcher Familie oder welchem Milieu er kommt.

Die Rentenbezieher, um bei dem Beispiel zu bleiben, sind die Bürger als Träger des Gemeinwesens, als Souverän und Geltungsquelle der politischen Ordnung. Während die „Rente“ durch Eltern asymmetrische Familienbeziehungen zwischen Eltern und Kindern fortsetzen würde, bestärkt die „Rente“ des Gemeinwesens an seine Bürger gerade die symmetrischen Beziehungen unter Gleichen. Was gleich aussieht, wie Eichenberger meint, sind also zwei grundlegend verschiedene Dinge.

Mit dieser Vermischung durch Eichenberger bricht der ganze Vergleich zusammen, der wohl darauf hinauslaufen sollte, die Abhängigkeit von Vater Staat als drohende Folge eines BGE an die Wand zu malen. Doch eines ist hier noch bemerkenswert. Die drohende Abhängigkeit, die Eichenberger vom Staat ausmacht, ist ja interessanterweise gerade Bestandteil seines Gegenmodells. Denn darin ist Autonomie, im engeren Sinne Leistung und Selbstversrogung, von Anreizen abhängig, die den Einzelnen dazu anregen, für sich selbst zu sorgen. Woher kommt die Vorstellung, er brauche dazu Anreize? Wer Anreize braucht, um verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, ist der nicht vollständig abhängig von einer auf ihn einwirkenden, stimulierenden Kraft? Es ist das Anreizdenken, das in die Abhängigkeit hineinführt, nicht das Bedingungslose Grundeinkommen.

Sascha Liebermann

„Sanktionen bei Hartz IV und Leistungsbeschränkungen bei der Sozialhilfe abschaffen“ – Bundestagsdebatte zum Antrag von Die Linke

Am 6. Juni hat der Deutsche Bundestag über einen Antrag u.a. zur Abschaffung von Sanktionen einiger Abgeordneter von Die Linke debattiert. Hier geht es zum  Tagesprotokoll der Bundestagssitzung (bis etwa zur Mitte der Seite scrollen), hier zum Antrag. Hier geht es zum Video. Hier ein Zusammenschnitt der Redner von Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen Teil 1 und Teil 2.

Welfare vs. Entitlement (Sozialhilfe vs. Anspruchsberechtigung)

Auf sehr anschauliche Weise verdeutlichen Ananaya Roy und Abby van Muijen vom Blumcenter der University of California in Berkeley in Ihrem Videobeitrag „If You Think Only Poor People Need Welfare, Wait Till You See What Really Rich Folks Do With It“ wie ein bedingungsloses Grundeinkommen als Anspruchsberechtigung und Bürgereinkommen einen Unterschied ums Ganze macht gegenüber aller staatlichen Sozialhilfe, die zudem mit Subventionen: verdeckten Hilfen an Nicht-Bedürftige, nicht nur Unfreiheit, sondern auch vermeidbae Ungleichheit befördert.

Von sich auf andere schließen und das in Widersprüchen oder wie gut es ist, andere an der Leine zu führen

In der Sendung Markus Lanz vom 28. November waren u.a. Sarah Wiener und Jürgen Trittin zu Gast. Sarah Wiener war einst in die Lage gekommen, von Sozialhife zu leben, nachdem sie als junge Frau um die 20 ihren Sohn zur Welt gebracht hatte. Ihre Ausführungen sind interessant, weil sie die ganzen Widersprüchlichkeiten offenbaren, wenn heute über solche Leistungen gesprochen wird. Auf der einen Seite ist sie dankbar dafür, dass es Sozialhilfe gab, auf der anderen hält sie eine große Rede darauf, wie ungut eine solche Abhängigkeit ist, sie mindere das Selbstwertgefühl, bezieht sich dabei indes vor allem auf sich und überträgt dies nicht auf andere – das ist sympathisch bis dahin. Nun, wen wundert, was sie da beschreibt, wenn man bedenkt, dass nur Erwerbstätigkeit als sinnvoll galt und noch gilt, es gerade sie ist, die es unter anderem erlaubt, den Schritt aus dem eigenen Elternhaus heraus zu machen. Gerade für junge Leute wird sie damit zum Mittel für mehr Unabhängigkeit.

Ihre Schlussfolgerungen aus ihrer Erfahrung sind dann doch nicht mehr ganz persönlich, denn sie meint, es sei das Beste, jungen Leuten eine Stelle anzubieten und mit Sozialhilfe restriktiver (da kennt sie wohl die heutige Lage nicht) umzugehen. Damit ist das Stichwort für Jürgen Trittin gegeben, sich endlich wieder einmal gegen das Bedingungslose Grundeinkommen auszusprechen. Hilfe ja, aber: Fördern und Fordern. Angebote müssen mit Verpflichtungen zu Gegenleistung verbunden werden, Druck machen, selbständig zu werden. Dass ein BGE nun Menschen aus der Gesellschaft ausschließe, wie er meint, ist das alte Vorurteil, denn Gesellschaft wird hier gleichgesetzt mit Erwerbstätigkeit, „Teilhabe“ ist Teilnahme an Erwerbstätigkeit. Der Ausschluß ist einer, der heute über die Vergabebedingungen und die Geltung des Erwerbsideals zustandekommt. Wie viele aber genau dieser Verengung wegen aus der „Gesellschaft“ ausgeschlossen werden, all diejenigen, die andere Tätigkeiten für genauso wichtig erachten,  und selbst die, die ohne Sozialhilfe gar nicht leben könnten, wird nicht thematisiert. Denn der Sozialhilfebezug bleibt auch für diejenigen stigmatisierend, die erwerbsunfähig sind.

Eine umfassendere Anerkennung im Gemeinwesen als durch ein BGE, eine Anerkennung, die Pluralität fördert und sie nicht auf Pluralität im Erwerbsleben verkürzt, ist kaum denkbar. Das sehen beide aber nicht. Was soll Frau Wiener mit einem Mitarbeiter im Restaurant, der dort nicht arbeiten will – ein Beispiel, das sie selbst einführt (und noch auf die schlechten Einkommensbedingungen zu sprechen kommt). Es darf natürlich der Hinweis von Markus Lanz auf „die Arbeitspsychologen“ nicht fehlen, die genau diese Eindrücke davon, wie wichtig Erwerbstätigkeit sei, bestätigten. Die anderen hätten man auch natürlich auch fragen können, die das nicht so sehen.

Siehe hier ab Minute 48

Sascha Liebermann