„Hartz IV: starker Rückgang der Arbeitslosen, aber nicht der Hilfebedürftigen insgesamt“…

…vermeldet der Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Interessant ist die Bemerkung am Ende der Pressemeldung:

„In der politischen Debatte wird immer wieder gefordert, Hartz IV abzuschaffen. Ein Teil der Kritik bezieht sich auf die Sanktionen, die in Form einer Kürzung der Sozialleistungen im Falle eines Fehlverhaltens der Bedürftigen verhängt werden. Im ersten Quartal 2018 traf das auf gut 130 000 oder 3,1 Prozent aller erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und damit einen eher kleinen Teil zu. In drei Viertel der Fälle waren Meldeversäumnisse die Ursache. Gleichwohl hat eine zusätzliche Auswertung von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ergeben, dass zwar nach wie vor die allermeisten Hartz-IV-Arbeitslosen eine angebotene Stelle sofort annehmen würden – ihr Anteil ist aber von 80 Prozent im Jahr 2008 auf zwei Drittel im Jahr 2016 gesunken.“

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„Nichts deutete auf ein prekäres Leben hin“…

…darüber schreibt die Schauspielerin Bettina Kenter-Götte in der Freitag. Es geht um „die Martermühle“ Hartz IV und was es bedeutet, sich darin bewegen zu müssen. Aus dem Beitrag:

„Selbst für JournalistInnen ist es schwierig, Einblicke in die Realität von Hartz IV zu erhalten. Wer nicht betroffen ist, hat keinen Zutritt zu dieser Schreckenskammer der Gesellschaft – und wer dort ist, verliert die Sprache: Schockstarr kämpfen Betroffene ums tägliche Überleben, wohl wissend, dass kaum jemand ihren Geschichten Glauben schenken würde, denn sie sind fürwahr unglaublich. „Hier hast du auch was zu trinken!“, sagte ein Politiker, als er bei einem Weinfest einem Obdachlosen Sekt über den Kopf goss. Fußfesseln für Arbeitslose wurden diskutiert, ein Professor schlug vor, Arbeitslose sollten ihre Organe verkaufen (dürfen). Selbst schwangere Frauen werden „sanktioniert“. Sie können wegen Stromsperren nach Leistungskürzungen ihren Babys kein Fläschchen mehr warm machen. Ich wollte die unglaublichen Geschichten erzählen und schrieb ein Buch, wie das Alltagsleben mit Heart’s Fear wirklich ist: erniedrigend, bedrohlich, bedrückend, aussichtslos, existenzgefährdend, absurd – und mitunter auch komisch. Während einer „Aufstock“-Phase, nach einer auswärtigen Autorenlesung, musste ich mir das Geld für die Heimfahrt leihen, von einer Zuschauerin.“

Wie riskant ein Leben im Schauspielberuf ist, siehe dazu auch frühere Kommentare von uns.

Sascha Liebermann

Abkehr von Hartz IV? Ach was, schon wieder…

…wurde nicht vor wenigen Monaten schon einmal so etwas gemeldet aus der SPD (siehe meinen Kommentar hier)? In einer gemeinsamen Erklärung heißt es:

„Vertreterinnen und Vertreter der Parteilinken, das heißt aus dem SPD-Parteivorstand, aus der Parlamentarischen Linken, sowie aus den Vorständen von Jusos, DL 21 sowie Arbeitsgemeinschaften und linke Vertreterinnen und Vertreter aus Landesverbänden haben nach einer Diskussion mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, über sein Konzept des „solidarischen Grundeinkommens“ vereinbart, dass wir in Abkehr des bisherigen Hartz-IV-Systems diesen Vorschlag aufgreifen und eine Sozialstaatsdebatte nach vorne führen wollen.“

Das „solidarische Grundeinkommen“ als Anfang für „eine Sozialstaatsdebatte nach vorne“? Das klingt eher als eine Debatte „nach hinten“. Und worin bestünde denn die Abkehr von Hartz IV?

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„Ich arbeite, also bin ich“ – gut, dass das einmal gesagt wird…

…so zumindest erscheint der Beitrag von Henrike Roßbach in der Süddeutschen Zeitung. Wer das ernst meint, braucht über Würde nicht mehr nachzudenken.

Sie beginnt hiermit:

„Wenn er erklären will, was Arbeit mit einem Menschen macht, oder eher, was es mit einem Menschen macht, wenn er keine Arbeit hat, dann erzählt Thomas Lenz von dem Mann vom Marktplatz. Zwei Flaschen Schnaps habe der jeden Tag getrunken, und herumgesessen, mitten in Wuppertal. Bis er eines Tages mitarbeiten durfte beim Bau der Wuppertaler Nordbahntrasse, einem 23 Kilometer langen Wander- und Radweg entlang der ehemaligen rheinischen Eisenbahnstrecke. „Den mussten wir bremsen, der war auch samstags auf der Strecke“, sagt Lenz, der das Wuppertaler Jobcenter leitet. Trocken sei der Mann zwar auch damals nicht gewesen, während der Arbeitszeit aber habe er zuverlässig funktioniert und nicht getrunken. Mit ein paar Tricks konnten sie ihn anderthalb Jahre in dem Projekt halten, länger als üblich. Mehr ging nicht. „Heute ist er tot“, sagt Lenz. „Totgesoffen“.“

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„Aus Respekt nennen wir die Asis Kunden“…

…so wird die Sprachkosmetik der Agenturen für Arbeit in der jüngsten Sendung von „Die Anstalt“ zugespitzt – „aktivierende Sozialpolitik“ im Fokus. Eine gute Antwort auf die jüngst wieder geführte Debatte darüber, wie komfortabel oder nicht es sich mit „Hartz IV“ leben lässt.

„Was an Hartz IV wirklich abgeschafft gehört“ – (und an manchen Vorurteilen)…

…darüber schreibt Florian Diekmann bei Spiegel online. Auf der einen Seite werden etliche Eigenheiten benannt und etwaige Folgen einer Veränderung der Regelsätze, aber vor allem vermeintlich negative (mehr Bezieher), nicht positive (höhere Kaufkraft oder mehr Anerkennung). Die Armutsfalle bzw. das Lohnabstandsgebot darf auch wieder nicht fehlen – doch sie ist mehr Vorurteil als Empirie. Kein Wunder, dass die zitierten Experten den fehlenden „Anreiz“ kritisieren, den Transferbezug zu verlassen – Einkommensanreiz natürlich.

Sascha Liebermann