Die Alimentierung der Überflüssigen durch ein Grundeinkommen ist keine Antwort…

…schrieb Mathias Greffrath in der taz unter dem Titel „Her mit dem Zukunftsstaat“. Nein, das ist kein Beitrag, der sich mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen auseinandersetzt, das wäre zuviel erwartet, denn Greffrath hat sich schon wiederholt zum BGE geäußert. Gibt es denn überhaupt „Überflüssige“ in einer Demokratie? Dazu schrieb ich vor zwei Jahren:

„Ja, in der Arbeitsgesellschaft, die meint, Arbeit, also Erwerbsarbeit, halte sie zusammen, da gibt es überzählige menschliche Arbeitskraft (zur Vertiefung siehe hier), sofern sie durch Maschinen substituiert werden kann, wo es vernünftig ist. In einem Gemeinwesen von Bürgern hingegen gibt es keine Arbeitskraft, die nicht benötigt wird, weil das Benötigtwerden gar nicht das Kriterium ist, an dem die Existenz gemessen wird. Alle gehören dazu, die zum Gemeinwesen gehören bzw. sich in ihrem Rechtsbereich dauerhaft aufhalten.“

Von „Überflüssigen“ zu reden, verhöhnt gerade die Stellung der Bürger in der Demokratie. Es gibt in ihr niemanden, der überflüssig ist. Wer ein BGE allerdings als Stillhalte- bzw. Stilllegungsprämie versteht, für den mag das der Fall sein.

Sascha Liebermann

Freiheit ohne Demokratie? Eine Kontroverse anlässlich einer Twitter-Nachricht

Dieser Kommentar von Holger Schäfer, Institut der deutschen Wirtschaft, reagiert auf einen Tweet von Wolfgang Strengmann-Kuhn. Auf den Kommentar von Schäfer reagiert Timo Bahrs. Es werden hierbei zwei Deutungen von Freiheit artikuliert, die auf Wertpositionen beruhen, in der Diskussion geht es um das Menschenbild. Sie stehen gegeneinander. Keiner von beiden stellt die Frage, auf welchem Menschenbild die Demokratie beruht, dann würde nämlich deutlich, dass Reziprozität nicht im engen Sinn alleine verstanden werden kann (do ut des), wie Schäfer aber behauptet, sondern im weiten einer bedingungslosen Anerkennung als Angehöriger einer politischen Vergemeinschaftung verstanden werden muss. Diese Anerkennung kann sich dann eben auch in einer vorbehaltlosen Sicherung des Existenzminimums ausdrücken, wie ein BGE es vorsieht. Hier vertritt Schäfer die Position, als sei Einkommen, das letztlich ein Anteil an der gesamtwirktschaftlichen Wertschöpfung ist (Bruttoinlandsprodukt), nicht vermittelt über Kollektivleistungen, sondern der Eigenverantwortung des Einzelnen zuzuschreiben. Das ist eine Deutung, die auch der illusionären Deutung des Lohns als Leistungslohn zugrundeliegt. Wenn nun aber zuftrifft, dass Individualleistung immer zugleich von Kollektivleistung abhängt, stellt sich die Frage, wie diese Kollektivleistung verteilt wird und mit Bezugnahme auf welches Legitimationskritierium. Von der Warte einer demokratischen politischen Grundordnung ist das Existenzminimum, ganz gleich, wie das in der Höhe definiert wid, ein Anteil an der Wertschöpfung, der auf alle Bürger als Bürger verteilt wird – und das ohne bedürftig zu sein.

Wenn man das allerdings als Ideologie bezeichnet (das tat einst Sebastian Lotz, ein ehemaliger Kollege Schäfers am IW), also die Bezugnahme auf Prinzipien der politischen Ordnung für Ideologie hält (siehe hier und hier), ist die Relevanz eines BGE nicht zu erkennen. Zu Schäfers Haltung, siehe auch den Beitrag von gestern.

Sascha Liebermann

„Arbeitswelt im Wandel“ – oder Unternehmen als Erziehungsanstalten?

Die Talksendung Anne Will (Kommentare zu früheren Sendungen finden Sie hier) befasste sich in der jüngsten Sendung mit der Diskussion über die heutige Konstruktion des Sozialstaats, die Sanktionen im Arbeitslosengeld und die verschiedenen Vorschläge, die sich die positiven Konnotationen des Wortes „Grundeinkommen“ zunutze machen wollen. Da sollte ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht fehlen, hierfür war Michael Bohmeyer eingeladen. Die einzige, die dafür gewisse Sympathien hatte und die Absurditäten der Sanktionen erkannte, war die Unternehmensberaterin Simone Menne. Die Sendung verlief wie so oft, die Einheitspartei aus Linke, SPD und CDU stritt an der Oberfläche, war sich aber einig, dass der status quo im Wesentlichen verteidigt werden müsse, d. h. an Sanktionen darf nicht gerüttelt werden.

Als die Runde auf das BGE zu sprechen kam, wurde im Einspieler von Anne Will sogleich darauf hingewiesen, dass ja bestimmte Personen dafür einträten, genannt wurden Unternehmer aus dem Silicon Valley (von denen oft nicht bekannt ist, was sie genau meinen), Joe Kaeser (Siemens, der sich nicht für ein BGE ausgesprochen hat) sowie Timotheus Höttges (Deutsche Telekom, der es tatsächlich für sinnvoll hält). Im Grunde war dieser Einstieg ein Versuch, den Vorschlag zu diskreditieren, denn, wenn Vorstände von Unternehmen bzw. Unternehmer dafür sind, kann es sich nicht um einen brauchbaren Vorschlag handeln. Entsprechend reagierten manche in der Runde. Andere wiederum sehen das als Adelung, wenn gerade sie dafür seien, dann müsse auch etwas dran sein. Michael Bohmeyer machte auf die vereinseitigende Darstellung aufmerksam. Wer sich ein wenig informiert, wird schnell herausfinden, dass die BGE-Diskussion seit 2004 öffentlich geführt wird und von ganz anderen als Unternehmern angestoßen wurde (Götz W. Werner ist eine Ausnahme). Unterstützer finden sich in den meisten Parteien, mal mehr, mal weniger, je weiter man in der Funktionshierarchie herabsteigt.

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Ob denn die Bürger mündig genug sind?

Alleine schon, dass diese Frage gestellt wird, könnte einem zu denken geben. Sie taucht ja nicht nur auf, wenn es um ein Bedingungsloses Grundeinkommen geht, sie gehört zu den Standardbedenken, wenn die Sprache auf direkte Demokratie kommt – in Deutschland, in der Schweiz nicht. Genau diese Frage stellte kürzlich ein Kollege aus der Wissenschaft in einer Diskussionsrunde über Bedingungsloses Grundeinkommen. Im Raum standen Bedenken, wie denn wohl mit den Freiräumen umgegangen würde, wenn ein BGE eingeführt wäre; ob denn wohl die Freiheit nur eine Freiheit dazu wäre, die meiste Zeit World of Warcraft zu spielen?

Besonders häufig wird dies dann in Verbindung mit pubertierenden Kindern gebracht, durchaus auch den eigenen, mit denen man sich ja manches Wortgefecht liefern müsse und die so gar nicht dem folgen wollen, was man selbst für ungeheuer bedeutend hält. Vielleicht käme man mit den eigenen Bedenken weiter, wenn man sich klar machte, in welcher Lebensphase Adoleszente sind, dass sie gerade ihren Platz in der Erwachsenenwelt zu finden suchen – Erwachsene, die es ihnen nicht gerade leicht machen durch den Erwartungsdruck, den sie ausüben. Man könnte sich ein wenig kundig machen, eventuell bei Einsichten aus Forschung über kindliche Entwicklung (vielleicht hier, hier oder hier).

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Sanktionen helfen?

Das sollen sie, nicht bestrafen. Geäußert wurde dies kürzlich in einer Diskussionsrunde von einem Wissenschaftler, der sich intensiv mit den Sozialsystemen und darin den Sanktionen beschäftigt. Hartz IV sei besser als sein Ruf, nur ein geringer Teil der Bezieher werde überhaupt sanktioniert, wie kann es dennoch sein, dass darüber so breit diskutiert wird? In dieser Diskussionsrunde ging es um Auswirkungen des Sanktionssystems, wie es im Sozialgesetzbuch niedergelegt ist, aber eben auch um das Bedingungslose Grundeinkommen. Dabei sind Sanktionen nichts Neues, die Möglichkeit gab es auch im Bundessozialhilfegesetz von 1962 schon, sie kennzeichnen Sozialsysteme, in denen ein dauerhafter Leistungsbezug nicht vorgesehen ist, weil die Aufnahme von Erwerbstätigkeit oberstes Ziel ist.

Was irritierte den Kollegen? Vielleicht war es das, was er übersah. Sicher, wer nicht gegen die Mitwirkungspflicht verstößt, erfährt keine Sanktionen. Aber alle, die im Leistungsbezug sind, sind mit Sanktionen bedroht, denn – darüber informiert die Broschüre zum Arbeitslosengeld „Ihre Rechte, ihre Pflichten“ -, sie sind ein Instrument, das jeden treffen kann. Sanktionen sollen Konformität mit der Gesetzgebung erzwingen, das ist ihr Sinn. Sie treffen aber nicht nur diejenigen im Leistungsbezug, es handelt sich um eine Gesamtdrohung, sie richtet sich an alle, das Gemeinwesen ruft sich selbst zur Ordnung und weist darauf hin, was bei Zuwiderhandeln geschehen kann.

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„Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Offenbarungseid“…

…oder ist es diese Äußerung von Albrecht von Lucke, der das Hohelied der Erwerbsarbeit singt? Hat denn jemals eine „Gesellschaft“ „Menschen“ „in Arbeit“ gebracht? Oder haben sie sich diese in der Regel gesucht und sich dafür entschieden? Sollte von Lucke es metaphorisch gemeint haben, dann mildert das keineswegs den Paternalismus, der in der ihm zugeschriebenen Äußerung zu erkennen ist.

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„Nach dem Ende der Arbeit“…

…darüber schrieb Franziska Augstein in der Süddeutschen Zeitung und beschäftigte sich mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen.

Ein sonderbar einfallsloser Kommentar, der wieder einmal den Unwillen erkennen lässt, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Dass man über manches Argument, das auch in der BGE-Debatte vorgebracht wird, trefflich streiten oder es für erheblich zu kurz gegriffen halten kann, ist klar. Weshalb aber wird so selten versucht, der Sache einmal ernsthaft nachzugehen. An einer Stelle schreibt Frau Augstein:

„Andere Vertreter des Grundeinkommens denken mehr aus Sicht der Geringverdiener und der Arbeitslosen. Sie müssen sich an den entscheidenden Fragen abarbeiten: Wirkt ein bedingungsloses Grundeinkommen motivierend oder hätte es denselben Effekt wie Hartz IV, das manchen eine traurige, bierselige Existenz auf dem Sofa vor der Glotze finanziert? Und: Könnte sich eine Volkswirtschaft das Grundeinkommen überhaupt leisten?“

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Repressionsfreie Grundsicherung im Wolkenkuckucksheim…

…so könnte der Vorwurf gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen umgekehrt werden, den Christoph Butterwegge in der Rhein-Neckar-Zeitung erhebt, wenn man sich einmal vor Augen geführt hat, weshalb in einem erwerbszentrierten Sozialstaat eine Grundsicherung, die nicht mit Sanktionen bewehrt ist, weltfremd ist. Selten so klar äußert sich Butterwegge zur „moralichen Verpflichtung … selbst für sein Einkommen“ zu sorgen.

Hier wird nach unbezahlter Arbeit (siehe hier und hier) gefragt:

RNZ: „Es gibt aber auch sehr viele Menschen, die etwas leisten, ohne bezahlt zu werden: in der Erziehung, in der Pflege, im Ehrenamt, in der Kultur. Das ist doch auch nicht gerecht. Wäre das Grundeinkommen nicht eine Möglichkeit, diese Arbeit wertzuschätzen?“
Butterwegge: „Ich sehe nicht, wo die Wertschätzung sein soll, wenn jeder 1000 Euro bekommt. Das Grundeinkommen ist ja unabhängig davon, was jemand macht. Wenn der Mensch ehrenamtlich oder karitativ arbeitet oder einen Angehörigen pflegt, dann wird er mit dem Grundeinkommen nicht dafür entlohnt, sondern seine Existenz nur auf einem niedrigen Niveau gesichert.“

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„Es wird Zeit, die Weichen zu stellen“ – Richard David Precht im Interview…

…in der Sendung ttt (ARD). Mit seinem neuen Buch ist Precht omnipräsent und hat einen festen Platz in den Feuilletons und im Fernsehen. Mit prononcierten Äußerungen plädiert er für ein Bedingungsloses Grundeinkommen und leitet diese stets von etwaigen Folgen der Digitalisierung ab, auch wenn er einräumt, dass wir nicht genau wissen, was die Folgen sein werden.

Precht beschäftigte sich in den vergangenen Jahren immer wieder einmal mit dem BGE, äußerte sich skeptisch über die „humanistischen“ Befürworter, die er mit den anthroposophischen gleichsetzte, auf deren Seite er sich nun zu schlagen scheint, wenn er der Perspektivlosigkeit der Gegenwart ein positives Menschenbild entgegensetzen will. Und dann scheint ganz kurz eine alternative Deutung dafür auf, weshalb ein BGE gerechtfertigt sein könnte ganz ohne Bezugnahme auf Digitalisierung und Arbeitsmarkt: „Mein Wahlrecht ist auch nicht an Bedingungen geknüpft“ – und weshalb ist das so? Weil das Wahlrecht aus der Staatsbürgerschaft folgt und die Staatsbürger die Legitimationsquelle des demokratischen Gemeinwesens bilden.

Auch Precht hat sich schon so geäußert, dass man den Eindruck gewinnen konnte, er traue dem Bürger nicht allzuviel zu (siehe hier; siehe weitere Kommentare zu Prechts Ausführungen).

Sascha Liebermann