„The battle over the future of work is about autonomy“…

…, aber „autonomy“ muss weiter verstanden werden als nur bezogen auf Arbeitsbedingungen, darauf bezieht sich Natalie Bennett, mit Verweis auf einen Artikel in der Financial Times. Denn Autonomie im weiten Sinne ist für die Gattung Mensch spezifische, es ist die Notwendigkeit, handeln zu müssen und sich angesichts von Handlungsmöglichkeiten zu entscheiden, welche Möglichkeit in Frage kommt. Diese Entscheidungen vollziehen sich immer unter konkreten Umständen, in einem konkreten Gefüge von Regeln und Normen (Gerechtigkeitsentwurf). Autonomie in Erwerbsarbeit ist nur ein Aspekt davon, umfassender ist die Autonomie, die in einem Gemeinwesen auch durch Rechte abgesichert, gleichwohl aber nicht erzwungen werden kann, ohne sie selbst zu zerstören.

Sascha Liebermann

„Existenzangst abschaffen. So geht Sozialstaat“…

…damit wirbt die Partei Die Linke auf ihrer Website. Der Text ist ein Ausschnitt aus dem Programm zur Bundestagswahl im September. Wie in programmatischen Aussagen nötig, geht es vollmundig zu, das weist die Richtung, in die die Vorschläge weisen, wenn es z. B. heißt:

„Ohne leistungsfähigen Sozialstaat keine funktionierende Demokratie“.

So wird man dem im allgemeinen durchaus zustimmen können, doch heißt das, bislang lebten wir nicht in einer Demokratie? Das würde zu weit gehen. An anderer Stelle ist zu lesen:

„Wir wollen ein neues Betriebssystem des Sozialen: eine öffentliche Infrastruktur, die Armut abschafft, Demokratie mit sozialer Sicherheit fördert und Umverteilung von Oben nach Unten schafft“.

Im Tech-Neudeutsch wird ein neues Betriebssystem eingespielt, aber woher stammt es, worauf beruft es sich? Lässt sich Armut wirklich abschaffen? Das gilt doch allenfalls für die Armut, die lediglich aus Einkommensmangel besteht, für anders begründete nicht.

Treffend ist die Kritik an Niedriglöhnen, Sanktionen und der Maschinerie von Hartz IV. Dann folgt dies:

„Jedes Jahr wachsen Wohlstand, Wissen und Reichtum. Längst wäre ein besseres Leben für alle Menschen möglich: sinnvolle Arbeit, mehr Freizeit, sicheres Leben. Doch jeder soziale Fortschritt muss dem Kapital abgetrotzt werden. Immer noch. Einkommen und Vermögen von Superreichen und der Konzerne beruhen nicht auf eigener Arbeitsleistung, sondern auf Aneignung fremder Arbeit. Anders als es die Neoliberalen behaupten, herrscht nicht das Leistungsprinzip. Sie sagen „Leistung“, aber meinen ihren finanziellen Erfolg und die Anerkennung von Marktergebnisse als „gerecht“.“

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„Die Rente mit 70 ist eine gestrige und ungerechte Idee“…

…schreibt Thomas Straubhaar auf Die Welt und weist darauf hin, dass die Lebenserwartung im Verhältnis zum Einkommen steht, so dass statistisch betrachtet diejenigen mit weniger Einkommen auch einen kürzeren Rentenbezug haben. Insofern laufe eine Erhöhung des Renteneintrittsalters – was schon oft in den letzten Jahren aus demselben Grund kritisiert wurde – auf eine Ungerechtigkeit hinaus, denn untere Einkommensschichten mit geringerer Lebenserwartung müssen den Renteneintritt noch weiter nach hinten verschieben, obwohl sie zugleich statistisch betrachtet früher sterben.

Straubhaar legt dar, dass abgesehen von dieser Ungerechtigkeit auch fragwürdig ist, ob das ökonomisch sinnvoll ist, wenn der Wandel der Arbeitswelt betrachtet wird. Lebensarbeitszeit müsse eher verkürzt, gesundheitsschädigende Erwerbsarbeit automatisiert werden.

Weshalb, diese Frage beantwortet Straubhaar nicht, wird also dennoch an der Bedeutung von Erwerbstätigkeit festgehalten, sie – wie auch Straubhaar erkennen lässt, wenn er von sinkender Wettbewerbsfähigkeit spricht – geradezu in Gegensatz zur Orientierung an Wertschöpfung gebracht?

Meines Erachtens hängt diese Denke mit einem beschränkten Begriff von Autonomie zusammen, der diese als etwas erachtet, das erst durch Erwerbstätigkeit gewonnen werde, durch „der eigenen Hände Arbeit“, wie es oft heißt. Damit wird aus den Augen verloren, dass die Entstehung von Autonomie in Bildungsprozessen fundiert ist, die jeder Erwerbstätigkeit vorausgehen und diese erst ermöglichen. Wer „sozialen Zusammenhalt“ bzw. „soziale Integration“ vor allem wenn nicht gar ausschließlich über Erwerbsarbeit vermittelt sieht, muss in Schaffen und Bewahren von Arbeitsplätzen ein entscheidendes politisches Ziel sehen. Allerdings übersieht diese Haltung, dass die wirklich umfängliche „Integration“ über einen Status geschieht, der gerade unverfügbar ist und ohne Vorbehalt gilt: Staatsbürgerschaft (und das Bekenntnis zu Bürgerrechten). Von ihm ausgehend wäre ein Sozialstaat zu entwerfen, der seine Leistungen weder von Erwerbstätigkeit abhängig macht, noch sie zum vorrangigen Ziel hat. Dann erst werden auch Leistungsformen ernst genommen, die heute unter den Tisch fallen – die sogenannte unbezahlte Arbeit.

Sascha Liebermann

Universal Basic Income „Freedom from government interference“ – missverständlich…

…denn die Regierung unterliegt, zumindest in modernen Demokratien, der parlamentarischen Kontrolle. Das Parlament wiederum ist in seiner Legitimität an das Staatsvolk gebunden, muss sich vor ihm verantworten. Das Staatsvolk als politische Gemeinschaft der Bürger muss die Ordnung tragen und sich für ihre Veränderung engagieren, sonst ist sie nichts wert (siehe hier). Das UBI oder BGE wird von dieser Gemeinschaft in ihrer Verfasstheit auch als Staat bereitgestellt. Kein Gemeinwesen ohne Ordnung, d.h. ohne bestimmte Schranken oder Beschränkungen, die aus Normen folgen. Oder ist mit „interference“ etwas Spezielles gemeint?

Sascha Liebermann

„Erneuerung […] der Bürgerrechte für alle“ durch ein garantiertes Mindesteinkommen,…

…darüber schrieb Ralf Dahrendorf in der Zeit 1986 in einem Beitrag zum „garantierten Einkommen“. Der Beitrag ist Teil einer Serie zu dieser Thematik. Darin heißt es z. B.:

„Das Mindesteinkommen löst also auch nicht alle Fragen der Zeit. Aber es ist eine wichtige Antwort auf eine Grundfrage: Gehen wir in eine Zeit, in der die Mehrheitsklasse der Besitzenden immer brutaler ihren Status verteidigt – oder öffnen wir uns erneut für die Bürgerrechtsgesellschaft, die allen Freiheit verspricht?“

So wartet der Beitrag noch mit anderen Anmerkungen auf, die beinahe wie aus der Gegenwart klingen, auch wenn der folgende Anfang nicht mehr gilt:

„Die Verfechter eines garantierten Mindesteinkommens werden im offiziellen Deutschland beinahe totgeschwiegen. Wer will schon ernsthaft über die Zukunft unseres Gemeinwesens reden, nachdem doch die Von-Tag-zu-Tag-Politik sogar die Grünen in kurzer Zeit eingeholt hat? Und doch, um es zu wiederholen: Die Idee wird bleiben.“

Hier hat er Recht behalten, wenn es auch in den 1990er Jahren ziemlich still um das Grundeinkommen geworden war (siehe hier). Und später im Beitrag heißt es z. B.:

„Die andere Methode muß daher in einer Erneuerung des dynamischen Prozesses der Bürgerrechte für alle bestehen. Es ist ja schon eine nachdenklich stimmende Tatsache, daß der im Prinzip allen gemeinsame Grundstatus aller Bürger zum Privileg geworden ist – zum Privileg der großen Mehrheit gewiß, aber doch zu einem ausschließenden, nicht zu einem einschließenden Grundsatz.“

Für Dahrendorf ist das garantierte Grundeinkommen nicht vor allem eine Antwort auf Arbeitslosigkeit und Armut, was noch heute eine große Rolle in der Debatte spielt, aber auch hier ist es hilfreich. Es gibt nicht viele, die diesen Zusammenhang so deutlich herausheben. Bedenkt man, wie lange Dahrendorfs Ausführungen zurückliegen, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es offenbar nicht so einfach ist, eine Einkommensgarantie als Bürgerrecht zu erkennen.

Sascha Liebermann

„Der arbeitende Souverän“ – oder: zur Verkürzung von Autonomie durch die Brille der Arbeitsgesellschaft…

…so ließe sich ein Beitrag des Sozialphilosophen Axel Honneth mit dem Titel „Der arbeitende Souverän“, den die taz veröffentlicht hat, übertiteln. Es geht darin um das Verhältnis von Demokratie bzw. demokratischer Willensbildung und der Bedeutung von Erwerbstätigkeit. Nachdem ich schon angefangen hatte, den Beitrag zu kommentieren, habe ich nun aufgegeben, da die Zusammenhänge in meinen Augen äußerst verkürzt sind. Stattdessen verweise ich auf einen Kommentar, den ich Anfang des letzten Jahres verfasst hatte. Dieser bezog sich auf ein Interview, das Honneth dem handelsblatt gab und in dem er sich zum Bedingungslosen Grundeinkommen äußerte. Hier geht es zum Kommentar.

Sascha Liebermann

„Eine Möglichkeit, wieder aktiv zu werden“ – Rückschau auf ein instruktives Missverständnis

Viele Jahre liegt es zurück, da gab Philippe Van Parijs, anlässlich des Grundeinkommenskongresses 2005 in Wien, neues deutschland ein Interview. Es war die Zeit, als die BGE-Diskussion wieder in Gang gekommen ist (zu Entstehung und Verlauf der Debatte siehe hier und hier), die dazu beigetragen hat, dass der Vorschlag heute seinen festen Platz in der sozialpolitischen Diskussion hat. Van Parijs spricht im Interview über seine Anfänge in der Beschäftigung mit der Idee, über BIEN, dessen Gründungsmitglied er ist, und äußert sich zum Slogan „Freiheit statt Vollbeschäftigung“, mit dem meine Mitstreiter und ich damals anfingen, uns für eine öffentliche Debatte einzusetzen. Was sagte Van Parijs?

„Nicht alle Grundeinkommensbefürworter – auch auf dem Kongress – stimmen damit überein, dass der Begriff der Arbeit so eng an das Grundeinkommen geknüpft ist. Das kann zu Missverständnissen führen.

Das habe ich gemerkt. In Deutschland gibt es eine kleine Organisation für die ich Sympathie habe. Aber ihren Slogan: »Freiheit statt Vollbeschäftigung« kann ich nicht gutheißen. Für mich ist das nicht die richtige Opposition. Bezahlte Arbeit darf zwar nicht das einzige Ziel im Leben sein aber man sollte auch nicht einen derartigen Kontrast zwischen Grundeinkommen und Vollbeschäftigung herstellen. Wenn man Vollbeschäftigung nicht als Vollzeitarbeit für alle deutet, sondern als Möglichkeit für alle Leute, die eine Arbeit wollen, eine Arbeit zu finden, bekommt der Begriff eine ganz andere Dimension. Grundeinkommen bedeutet nicht die Arbeit aufzugeben. Im Gegenteil – es ist eine Möglichkeit, dass die Leute wieder aktiv werden. Zur Zeit gibt es eine repressive Form des aktiven Sozialstaates – wie in Deutschland Hartz IV. Aber es gibt auch eine emanzipatorische Form des aktiven Sozialstaates: das Grundeinkommen.“

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Wichtige Fragen, gute Antworten von Barbara Prainsack – wenige Anmerkungen

Das Video bei Youtube anschauen.
In diesem Gespräch werden häufige Einwände gegen ein BGE thematisiert, die von Barbara Prainsack treffend pariert werden. Sie beantwortet sie – wie eingangs gesagt wird – auf Basis des Modells von BGE, das sie vertritt. Wenige Anmerkungen habe ich dazu.

Gleich zu Beginn favorisiert sie eine gestaffelte Höhe des BGE, weshalb, wird nicht erläutert. In der Diskussion wird häufig die Staffelung mit der Finanzierungsfrage verbunden, die Staffelung verringert den Finanzierungsaufwand. Bedacht werden an dieser Stelle drei Dinge nicht: 1) Ein BGE soll die Person um ihrer selbst willen anerkennen, weshalb also die Staffelung, die zu einer Ungleichbehandlung führt? 2) Alleinerziehende werden durch ein gestaffeltes BGE schlechter gestellt, obwohl sie häufig den Alltag alleine schultern müssen. 3) Die volle Betragshöhe in z. B. einem Vierpersonenhaushalt, auf die der Interviewer verweist, würde nur für eine bestimmte Zeitspanne relevant sein – solange nämlich, wie die Kinder zuhause leben.

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Immer wieder erstaunlich: Die Sorge vor dem Stillhalten bzw der „Stilllegung“, wenn ein BGE bereitgestellt würde…

…, doch weshalb sollte deswegen jemand stillhalten bzw. stillgelegt werden können, ohne es zu wollen? Doch nur dann, wenn den Bürgern nicht zugetraut wird, ihre Interessen wahrzunehmen und gegen ein solches Ansinnen sich zu wehren. Selbst wenn sie stillhalten wollten – was auch immer das bedeutete – wäre es ihre Sache. Darüber könnte eine öffentliche Diskussion angestoßen werden, wenn man damit nicht einverstanden wäre, andere Mittel gibt es in einer Demokratie nicht. Es sei denn, man will den Bürgerstatus und die damit verbundene Selbstbestimmung unter Vorbehalt stellen. Den Eindruck kann man bei manchen Einwänden gewinnen.

Frühere Beiträge zu dieser Frage finden Sie hier und hier.

Sascha Liebermann

„Freiheit und Freizeit für alle“ – aber wie und auf welcher Basis?

Lukas Hermsmeier schreibt auf Zeit Online über Erwerbsarbeit und ihre Überschätzung, ja Glorifizierung als Ort der Erfüllung und Selbstverwirklichung. Dabei bezieht er sich auf Ausführungen verschiedener Autoren, die sich zur Entwicklung des Arbeitsverständnisses und seiner Folgen äußern. An einer Stelle taucht der Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens auf:

„Benanavs Analyse geht über die übliche Dystopie-Utopie-Binarität der Diskurse zum Thema Automation hinaus. Weder werden uns Roboter zwangsläufig alle Jobs wegnehmen und uns so zu Sklaven der Technik machen, erklärt Benanav, noch werden sie uns von aller Arbeit erlösen und dadurch befreien. Entscheidend dafür, in welche Richtung es gehe, sei, wer die Technologien für wen unter welchen Bedingungen vorantreibe. Auch an die angebliche Allheilkraft der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens glaubt Benanav nicht. Die Vorschläge dazu ließen das zentrale Problem unangetastet, das darin liege, wie Arbeit generell organisiert ist, so nämlich, dass die allermeisten Menschen keinerlei Kontrolle haben und die allerwenigsten davon profitieren. „Die Menschen haben heute wenig Mitspracherecht, wie ihre Arbeit erledigt wird“, schreibt Benanav, was daher komme, dass eine „winzige Klasse von ultrareichen Individuen die Entscheidungen über Investitionen und Beschäftigung monopolisieren“.“

„Allheilkraft“ – sollte Benanav das so vertreten haben, erstaunt einen der Popanz, denn wo behauptet jemand ernsthaft, ein BGE könne eine solche „Allheilkraft“ sein? Ähnlich wie bei Vertretern einer Jobgarantie wird behauptet, ein BGE lasse „das Problem unangetastet“, wie „Arbeit generell organisiert“ sei.

In der Tat lässt ein BGE direkt die Organisation von Arbeit unangetastet. Aber durch die Handlungsmöglichkeiten, die es schafft, schafft es zugleich eine Machtumverteilung, von der relativen Asymmetrie heute zu mehr Egalität.

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