Was ist Leistung? Martin Schulz antwortet auf die Frage einer Mutter

Vor wenigen Tagen haben wir auf diese Diskussionssendung mit dem SPD-Kanzlerkandidaten schon hingewiesen. An der Reaktion von Martin Schulz wird deutlich, dass er zwar davon beeindruckt scheint, was die fragende Mutter leistet, aber hilflos darauf antwortet. Was nützt dieser Mutter – und den Kindern – eine stärkere Anerkennung der Erziehungszeiten in der Rentenversicherung oder mehr außerhäusliche Kinderbetreuung, wenn sie in der Gegegenwart Zeit und Möglichkeiten benötigt, um für ihre Kinder dasein zu können.

Was muss eine Existenzsicherung leisten? Disput zwischen Angela Merkel und einem Studiogast

Erstaunlich, wie unbeholfen die Bundeskanzlerin auf die Frage aus dem Publikum antwortet und wie beharrlich sie mit dem Ausbleiben einer Antwort konfrontiert wird. Allerdings ist es auch an den Bürgern, eine entsprechende Regelung oder Form der Mindestsicherung zu fordern, wenn sie eine solche wollen.

„Toxische Hilfe“…

…ein treffender Ausdruck Baukje Dobbersteins für das, was ich deautonomisierende Hilfe nennen würde, eine Hilfe, die denjenigen, dem geholfen werden soll, ersticken kann. Welche Folgen toxische Hilfe hat, beschreibt sie in dem hinterlegten Beitrag und darüber hinaus, wie wichtig die Erfahrung ist, dass einem etwas gelingt.

Deutlich wird in ihm auch, dass der Bildungsprozess hin zur Autonomie des Erwachsenen ein langer Weg ist, der nicht ohne Hilfe und Unterstützung auskommt (funktionale oder konstitutive Abhängigkeit), diese aber immer im Dienst der Autonomie stehen muss. Eine sehr fragile Angelegenheit ist das, die darüberhinaus für alle Helferkonstellationen von Bedeutung ist („Hilfe zur Selbsthilfe“).

„Toxische Hilfe“… weiterlesen

Grundeinkommensbefürworter von Bündnis 90/ Die Grünen lancieren Wahlaufruf

Das Grüne Netzwerk Grundeinkommen hat einen Wahlaufruf veröffentlicht, der bislang von über einhundert Befürwortern eines „Grundeinkommens“ aus den Reihen der Grünen unterzeichnet wurde. Damit positionieren sie sich klar.

Was allerdings im Aufruf teils zu lesen steht, ist nicht ganz in Einklang mit dem Programm zur Bundestagswahl oder der Haltung der Spitzenkandidaten. Diese hatten im vergangenen Dezember zum Bedingungslosen Grundeinkommen Stellung bezogen. Darin findet das BGE jedoch kaum Unterstützung.

Im Programm zur Bundestagswahl lautet der Passus zum Grundeinkommen:

Grundeinkommensbefürworter von Bündnis 90/ Die Grünen lancieren Wahlaufruf weiterlesen

„Die SPD und ihre Angst vor dem bedingungslosen Grundeinkommen“

Ein Beitrag von Manfred Schramm über eine Veranstaltung mit Sigmar Gabriel (siehe auch hier) in Wesel. Dort äußerte sich der Bundesaußenminister auch zum Bedingungslosen Grundeinkommen – die Art und Weise spricht Bände. Wer kann – Gabriel ist ja keine Ausnahme – die SPD ernsthaft als eine Alternative betrachten, wenn sie in dasselbe Horn bläst wie der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Vorgestern war wieder zu erleben, wie der Kanzlerkandidat der SPD damit umgeht, wenn die Frage darauf kommt, wie denn Familien, im konkreten Fall eine Mutter mit sechs Kindern, so unterstützt werden können, dass sie nicht auf Altersarmut zusteuert. Die Antwort: es muss ausreichend Kinderbetreuung geben. Das ist aber keine Unterstützung von Familien, sondern eine des Arbeitsmarktes und der dort erreichbaren Wertschöpfung, es sei denn Eltern wollen ausdrücklich nicht zuhausebleiben für ihre Kinder.

„Die SPD und ihre Angst vor dem bedingungslosen Grundeinkommen“ weiterlesen

„Warum spielt das Thema Armut im Wahlkampf eigentlich keine Rolle?“…

…fragt Jens Berger auf den Nachdenkseiten. Siehe auch den Beitrag im Handelsblatt „Nur leere Versprechen an Langzeitarbeitslose?“

Beide Autoren gehen – bei Jens Berger (siehe auch hier) nicht überraschend – überhaupt nicht auf das Bedingungslose Grundeinkommen ein. Das wäre aber ein sicherer Boden, auf dem alle stehen könnten, ohne Sorge haben zu müssen, abzurutschen.

Sascha Liebermann

„Wir binden alles an Lohnarbeit“

Konrad Paul Liessmann äußert sich in diesem Interview im Deutschlandfunk deutlich zu unserem gegenwärtigen Verständnis von Arbeit. Die Ausführungen rufen geradezu nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen und dennoch erwähnt er es nicht:

„Liessmann: Wir kriegen es schwer weg, solange wir auch gesamtgesellschaftlich an die Erwerbsarbeit alles binden. Wir binden den Sozialstaat an die Erwerbsarbeit, wir binden die Position, die Stellung, die Anerkennung eines Menschen an die Erwerbsarbeit, wir binden seine Krankenversicherung, seine Sozialversicherungen an die Erwerbsarbeit.
„Wir binden alles an Lohnarbeit“ weiterlesen

„…nicht zu unterschätzende Gefahr[en]“ und die Wagnisse der Demokratie

In seinem Blogbeitrag „Jetzt doch morgens jagen und abends Viehzucht betreiben? Die Debatte über ein bedingungslose Grundeinkommen 150 Jahre nach der Zangengeburt des ersten Bandes des ‚Kapital'“ beschäftigt sich Stefan Sell wieder einmal differenziert mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen (siehe einen Kommentar von meiner Seite hier und weitere Beiträge von Sell hier). Er weist auch darauf hin, dass die Diskussion darüber teils sehr spekulativ geführt wird, macht in meinen Augen allerdings zu wenig deutlich, dass Gestaltungsfragen in der Demokratie immer Entscheidungen erfordern, die ins Offene gehen. Von daher sind sie stets unvermeidbar „riskant“, „ungewiss“ oder gar „gefährlich“.

Diese Unklarheit findet sich in der abschließenden Passage:

„Aber die Vision eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ reicht deutlich über diese Frage hinaus, deshalb die Verknüpfung mit der Vision von Karl Marx – denn hier geht es um die Ermöglichung eines ganz anderen Lebens, nicht „nur“ um die Frage einer aus finanziellen und disziplinarischen Motiven möglichst niedrig zu haltenden Grundsicherung, deren Inanspruchnahme dann auch noch mit zahlreichen, voraussetzungsvollen Restriktionen gespickt ist.“

Hier geht Sell in meinen Augen viel zu weit, denn um ein „ganz andere[s]“ Leben geht es nicht, um die Erweiterung von Lebensentwürfen durch die Aufhebung des Vorrangs von Erwerbstätigkeit allerdings schon. Dabei darf nicht übersehen werden, dass schon heute viele eigensinnig ihre Anliegen verfolgen, sogar unter widrigen Bedingungen. Genau diese könnte das BGE verändern.

„…nicht zu unterschätzende Gefahr[en]“ und die Wagnisse der Demokratie weiterlesen

„Jede zivilisatorische Errungenschaft war irgendwann eine utopische Fantasie“

Ein Interview mit Rutger Bregman, dem Autor von „Utopien für Realisten“, in der Süddeutschen Zeitung. Schon im August führte Der Spiegel ein Interview mit ihm.

Noch deutlicher müsste man herausheben, dass ein BGE gar keine Utopie ist, auch wenn es anders scheinen mag. Vor dem Hintergrund unseres heutigen Sozialstaats mag es so scheinen, als sei ein BGE weit weg. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn wir auf den Lebensalltag schauen, die unspektakuläre Seite, die darin besteht, Entscheidungen zu treffen und verantworten zu müssen, dabei die verschiedensten Fragen zu integrieren, ohne großes Aufheben darum zu machen. Das ist das Fundament unserer Demokratie, das allzuoft übersehen wird. Ein BGE würde endlich den Sozialstaat auf ein Fundament stellen, das der politischen Ordnung gemäß ist.

Sascha Liebermann